Süddeutsche Zeitung

Nachruf:US-Autor Michael Herr gestorben

Wie fühlt sich moderner Krieg an? Eine Vietnam-Reportage für das Magazin Esquiere machte Michael Herr berühmt. Auch weil sie Vorlage war für Kriegsfilme wie "Apokalypse Now" und "Full Metal Jacket".

Von Tobias Kniebe

Wie fühlt sich moderner Krieg wirklich an? Das Leben der Soldaten, ihre Drogen, ihre Musik, wie klingen ihre unzensierten Sprüche? Das wollte Michael Herr festhalten, als Kriegskorrespondent des Esquire Ende der sechziger Jahren in Vietnam. Und zugleich als einer der Vorkämpfer des New Journalism, mit der entschlossenen Haltung, die Sache persönlich zu nehmen. In seinem Buch "Dispatches" (1977) gelang ihm das dann so gut, dass es schnell als das "beste Kriegsbuch unserer Zeit" (John Le Carré) gefeiert wurde - oder als das Werk zur Gegenwart, "das uns alle in den Schatten stellt" (Hunter S. Thompson).

Gleich zwei berühmte Kriegsfilme bauten dann darauf auf, Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" und Stanley Kubricks "Full Metal Jacket", und in beiden Fällen war Michael Herr als Ideengeber oder gleich als Drehbuchautor beteiligt. Kubrick zahlte ihm dafür jämmerlich wenig, wusste er zu berichten, pflegte aber doch über viele Jahre eine Telefonfreundschaft mit dem Kino-Eremiten, die nach dessen Tod noch in die Biografie "Kubrick" (2000) mündete. Die Brillanz von "Dispatches" aber erwies sich auch als Last, denn das Thema Krieg lies Michael Herr nie wieder los. Er starb am Donnerstag in New York im Alter von 76 Jahren.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2016
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