Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Otthein Rammstedt gestorben

Er war Assistent Niklas Luhmanns in Bielefeld und später Professor an derselben Universität: der Soziologe Otthein Rammstedt ist tot.

Von Johan Schloemann

Der Soziologe Otthein Rammstedt (eigentlich Otto-Heinrich) wurde 1968 der erste Assistent von Niklas Luhmann und dessen Zettelkasten an der Universität Bielefeld, wo er dann lange Jahre selber als Professor lehrte. Den Aufbau der Soziologie als eines prägenden Faches der frühen Bundesrepublik erlebte Rammstedt selbst inmitten von Kontroversen um "wertfreie" empirische Sozialforschung versus kritische Theorie: Examiniert bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, wurde er bei Helmut Schelsky über die Täufer-Sekte in Münster als soziale Bewegung promoviert.

Entsprechend undogmatisch agierte Rammstedt, aus Dortmund gebürtig und übrigens Vater des Schriftstellers Tilman Rammstedt. 1969 gab er die Klassiker des Anarchismus heraus, auf dass die revolutionären Studenten wüssten, wovon sie sprachen. Für die Deutungskämpfe um das historische Selbstverständnis der Soziologie lieferte er viel Material, etwa mit dem 1986 erschienenen Buch "Deutsche Soziologie 1933 - 1945" über Kontinuitäten seines angeblich unbelasteten Faches zur NS-Zeit. Einen großen Teil seines Forscherlebens verbrachte er mit der Edition der 24-bändigen kritischen Gesamtausgabe der Werke von Georg Simmel (1858 - 1918), deren Abschluss er 2018 noch gleichzeitig mit seinem 80. Geburtstag feiern konnte. Am Montag hat Otthein Rammstedt, der einen viel zitierten Aufsatz über das "Alltagsbewusstsein von Zeit" geschrieben hat, dieselbe in Mannheim verlassen.

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SZ vom 30.01.2020
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