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Nachruf auf Robert Evans:Der letzte Mogul

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Der Filmproduzent Robert Evans starb im Alter von 89 Jahren in Hollywood. Er war Chef von Paramount in der großen Zeit von "Rosemaries Baby" und den "Paten"-Filmen, später wurde er zum wandelnden Klischee des halbseidenen Moguls.

Von Willi Winkler

Film, und dafür gibt es kein besseres Beispiel als Robert Evans, Film verdirbt den Charakter. Norma Shearer soll den strahlenden Jüngling, damals noch Vertreter für Damenunterwäsche, 1956 nach Hollywood geholt haben, damit er ihren verstorbenen Mann spiele, den legendären Produzenten Irving Thalberg. Spielen konnte er nicht, aber sein Aussehen war das stärkere Argument. "The kid stays in the picture", soll Darryl Zanuck Zweiflern entgegengeknurrt haben, der muss im Film bleiben. Evans blieb, gab jedoch die Karriere als Schauspieler bald selber auf und wurde nicht bloß der Hollywood-Produzent mit dem besten Aussehen, sondern ein ganzes Jahrzehnt lang auch der einträglichste.

"Rosemaries Baby", "Harold und Maude", "Der große Gatsby" und vor allem "Chinatown" gehörten zu seinen Erfolgen, weil er im richtigen Moment das Filmgeschäft modernisierte. Ende der Sechziger war das alte Hollywood mit seinen epischen Western und bibelformatigen Monumentalfilmen erledigt. Es brauchte einen Außenseiter wie Evans, der nicht schon zum Fernsehen schielte und das Geld der Investoren großzügig an jüngere Leute verteilte. Er engagierte Roman Polanski, er förderte William Friedkin, Peter Bogdanovich und Francis Coppola, er machte Jack Nicholson zum Star. Er verantwortete den unsäglichen und unsäglich einträglichen Kitschfilm "Love Story", der Hollywood 1970 das Überleben sicherte, aber auch den wenig gesehenen "Dialog", Coppolas besten Film. Mit Coppola stritt er sich Jahrzehnte lang darum, wer den ersten "Paten" so bearbeitet habe, dass er oscarreif und zum Klassiker wurde.

In der Branche gilt das als "Morbus Selznick", benannt nach dem Produzenten, der für "Vom Winde verweht" fünf Regisseure und noch mehr Autoren verbrauchte, weil er es grundsätzlich besser wusste. Polanski und Coppola wurden Stars, den Produzenten ihrer Filme kannte keiner. Durch "Chinatown" sollte sich das ändern, Evans' Name erschien im Vorspann, er hatte es geschafft und drehte durch.

Mit seinen Goldkettchen, der angewachsenen Sonnenbräune und den ewigen Starlets gab er den Klischee-Mogul

Produzenten gelten ja ohnehin als größenwahnsinnige Angeber, maßlose Frauenvertilger und im Schneideraum als Grobiane, blind für die künstlerische Vision. Evans aber exzellierte in allen drei Disziplinen: Mit seinen Goldkettchen, der angewachsenen Sonnenbräune und den ewigen Starlets gab er den Klischee-Mogul, der sich die Zigarre nie mit weniger als einem Hundert-Dollar-Schein anzündete. Zwischendurch war er sieben Mal verheiratet, darunter mit der Liebe-heißt-niemals-um-Verzeihung-bitten-zu-müssen-Darbieterin Ali McGraw.

Bei der Fortsetzung von "Chinatown" wollte er unbedingt auch noch als Schauspieler auftreten und ließ sich dafür sogar das Gesicht nacharbeiten. Er war so schlecht, dass ihn sein Regisseur feuerte. Das Projekt wurde ebenso zum Fiasko wie Coppolas "Cotton Club", der im Kokainrausch gedreht wurde, dem sich Hollywood Ende der Siebziger hingab.

Eben noch war er der König von Beverly Hills gewesen, dem alles, was er anfasste, zum Erfolg geriet, jetzt brachte er die ganze Branche in Verruf - die ihn ausstieß, als einer seiner prospektiven Geldgeber Opfer eines Auftragsmords wurde. Verurteilt wurde eine Frau, die Evans regelmäßig Drogen beschafft hatte. Der Produzent verschwand, bis er 1994 seine Memoiren "The Kid Stays In The Picture" veröffentlichte. Warum sollte er auch aus dem Bild verschwinden, wo er doch alles mitgemacht und alles über alle wusste?

In seinem lang andauernden Sonnenuntergang leistet sich Hollywood längst keine Verrückten mehr, die so größenwahnsinnig und so gut sind, aber deshalb sind die Filme auch nur noch groß und nicht mehr gut. Am Samstag ist Robert Evans, ein echter Filmstar, im Alter von 89 Jahren - und selbstverständlich in Hollywood - gestorben.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2019
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