Süddeutsche Zeitung

Nachrichten aus dem Netz:Spott für Doktor Schiwago

Lesezeit: 1 min

Der Russland-Blog "La Russophobe" widerspricht "russophilen Mythen" mit einer an Rassismus grenzenden Herablassung. Entsprechend gehässig sind die Reaktionen auf die Seite.

Sonja Zekri

Vor ziemlich genau einem Jahr fiel "La Russophobe" über Russland her, und seitdem hat die Seite mindestens so viel Abscheu ausgelöst wie Rätselraten. Wer steckt hinter diesem "Nicht-kommerziellen Russland-Blog, der den Aufstieg (und hoffentlich den Fall) der Neo-Sowjetischen Union" in allerfinstersten Farben beschreibt? Der auf einem Bild Präsident Putin alle paar Sekunden zum zähnefletschenden Monstrum werden lässt? Der zu seinen Lieblingsfilmen das intellektuellenfeindliche Stalin-Epos "Utomljonnye Solnzem/Die Sonne, die uns täuscht" des nationalistischen Regisseurs Nikita Michalkow zählt und David Leans "Doktor Schiwago", aber die Tennisspielerin Maria Scharapowa mit Spott und Hohn verfolgt? "La Russophobe" widerspricht "russophilen Mythen" mit einer an Rassismus grenzenden Herablassung.

Russland sei ein Land großer Kultur und Wissenschaft? Falsch: Amerika besitze viel mehr Nobelpreisträger. Russen seien tapfer, was sich darin zeige, wie sie dem harten Winter und fremden Eindringlingen trotzen? Falsch: Russen seien abscheuliche Feiglinge, weil sie sich nie gegen ihre Regierung erhoben haben, Gegner nur aus Angst gegen ihre eigene Regierung oder aus Xenophobie bekämpften. Das feindliche Klima ertragen sie, "weil sie keine Wahl haben".

Wenn "La Russophobe" den gemäßigten Newsletter "Johnson's Russia List", den der Herausgeber David Johnson mit Unterstützung des US Center for Defense Information verschickt, schmäht ("Schlimmer als russische Skinheads!"), wenn sie auf der Seite "Sibirian Light" Russland als "Zaire mit Permafrost" beschreibt und Putin als "schlimmsten russischen Herrscher aller Zeiten", dann artikuliert sich da auch eine naive Enttäuschung darüber, dass das demokratische Experiment derzeit höchstens im Standby-Modus operiert.

Entsprechend gehässig sind die Reaktionen auf die Seite. In Wahrheit, so verkündete die Netzzeitung eXile jüngst mit Enthüller-Gestus, hasse "La Russophobe" das Land aus denselben Gründen, aus denen alle Mädchen des Westens Russland hassen: "Weil russische Frauen 142 Millionen Mal schärfer als sind als alle westlichen Frauen zusammen." Vielleicht stecke hinter "La Russophobe" ja eine schwache Nichtregierungsorganisation oder, Variante C, "eine NRO, die von einer wütenden, breitärschigen anglo-amerikanischen Zicke mit Scharapowa-Hass geschrieben wird". Dabei ist ja nicht einmal klar, ob "La Russophobe" wirklich eine Frau ist. Zu den verschiedenen kolportierten Klarnamen gehört neben Kim Zigfeld und Kim Bett auch Oliver Bronsen: Le Russophile.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.426030
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.