Süddeutsche Zeitung

Nachrichten aus dem Netz (55):Heute schon geschnüffelt?

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Wo bist Du? Die am meisten getextete Frage der Welt ist mittels Schnüffeldiensten wie Sniff jederzeit leicht zu beantworten. Doch auch Totalvernetzte wollen manchmal verborgen bleiben.Wenn Unsichtbarkeit zum Luxus wird.

Mirjam Hauck und Christian Kortmann

Die gute Nachricht: Die häufigste Frage der Welt ist beantwortet. Die schlechte: Es ist nicht die nach dem Sinn des Lebens, sondern sie lautet: "Where r u?" Mit dieser SMS-Variante von "Wo bist du?" erkundigen sich unzählige Teens und Twens nach dem Aufenthaltsort ihrer Gefährten, wenn sie zwischen Schulhof und Shoppingmall unterwegs sind.

In Großbritannien können sie nun mit Hilfe des Dienstes Sniff den Standort eines Kumpels ermitteln, weil über die Position der Mobilfunkmasten die Koordinaten jedes Handybesitzers festgestellt werden können. Solche Handy-Ortungen sind der jüngste Zweig in der Privatdetektivbranche: Firmen wie Mister Vista versprechen Menschen Hilfe, die ihre untreuen Partner, Angestellten oder Haustiere verfolgen. Auch die Telekom soll Bewegungsprofile von Journalisten und Managern angefertigt haben.

Stetige Schülerparty

Neu an Sniff - das fahrig wirkende Akronym bedeutet "Schnüffeln" und steht für "Social Network Integrated Friend Finder" - ist seine Verknüpfung mit dem sozialen Netzwerk Facebook. Facebook ist bisher dafür bekannt, dass es seinem in erster Linie jugendlichen Publikum auch online eine stetige Schülerparty liefert: Über Hobbys, Schulstress, Popstars chatten und sich für den nächsten Tag verabreden.

Sniff erleichtert den Netzfreunden nun reale Begegnungen. Wenn zwei Technologien miteinander verschmelzen, erwachsen neue Möglichkeiten, die man faszinierend oder auch zum Fürchten finden kann: Droht angesichts der enormen Menge von Facebooks gespeicherten Nutzerdaten eine flächendeckende Überwachung?

Das Kopfgeld jedenfalls ist gering: Eine Ortung kostet bei Sniff 75 und bei Mister Vista 99 Cent, jedoch muss der Gesuchte sein Einverständnis erklärt haben. Für Fortschrittsskeptiker ist diese durch Tricksereien leicht zu umgehende Hürde ein schwacher Trost.

"Wer nicht antwortet, macht sich verdächtig"

Selbst die Facebook-User werden wegen der fortschreitenden Totalvernetzung sentimental: "Früher war man unsichtbar, wenn man aus dem Haus ging und niemandem Bescheid sagte", schwelgt etwa Simon in Erinnerungen.

Wie unangenehm sich die technologischen Möglichkeiten auf die Persönlichkeitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus wirken können, zeigt ein 2005 mit dem Big-Brother-Award prämierter Fall: Damals hatte die Staatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein bei einem schweren Verbrechen eine "Funkzellenabfrage" angeordnet.

Die Mobilfunkfirmen mussten die Namen aller Kunden preisgeben, die zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes telefoniert hatten. Diese wurden angeschrieben. "Wer nicht antwortet, macht sich verdächtig", sagte die Polizei: Mit solchen Brieffreunden würde man auch bei Facebook nicht mehr flirten wollen.

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SZ vom 09.06.2008/pak
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