Süddeutsche Zeitung

Menschenfreundliche Moderne:Wohnträume

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Heute ist dies der Geschmack des globalen Kreativbürgertums. Ein Bildband dokumentiert das Werk des Designers Finn Juhl.

Von Johan Schloemann

Wer möchte nicht so wohnen? Nun, etwa zwischen den Siebziger- und den Neunzigerjahren, man kann es sich kaum noch vorstellen, wollten gar nicht mehr viele Leute so wohnen. Doch dann holte man die verstaubten Teak-Tische und die Vierziger- bis Sechzigerjahre-Stühle wieder aus den Kellern und Dachböden der Eltern und Großeltern.

Heute ist eine "Midcentury"-Einrichtung längst der orthodoxe Geschmack des globalen Kreativbürgertums. Gebrauchte skandinavische Möbelklassiker erzielen hohe Preise, ihre Neuauflagen ebenfalls. Das liegt daran, dass man im Norden den menschenfreundlicheren Modernismus schuf: Gerade die dänische Wohnmoderne verband klare Formen und Technikbegeisterung mit warmen Materialien, eigener Handwerkstradition sowie einem gewissen skulpturalen, organischen Schwung.

Einer der Meister dieser Kunst war, neben Hans J. Wegner, Arne Jacobsen und anderen, der Architekt und Designer Finn Juhl. Sein Wohnhaus in Ordrup bei Kopenhagen, das er selbst entwarf und bestückte, wurde nach seinem Tod 1989 der Öffentlichkeit überlassen. Wegen Renovierung und Neubauten am angrenzenden Kunstmuseum wird das Haus erst Ende 2020 wieder zu besichtigen sein, aber die aufschlussreiche neue Monografie über Finn Juhl lässt uns bequem hineinlugen: Links vorne am Kamin steht das Sofa "Poet", 1941 entworfen, dahinter der "Häuptlingsessel" ("Høvdingestolen", 1949).

Mit solchen Möbeln (oben rechts die Stühle "FJ45" und "FJ48") gelang Juhl in den Fünfzigern auch der Durchbruch in den USA. Sein Haupt- und Gesamtkunstwerk, ein Sitzungssaal der Vereinten Nationen in New York (1952), zeigt das Zusammenspiel seines Designs mit Baukunst und Kunstgeschichte, so wie zuvor die Einrichtung des Rundfunkhauses zu Hause in Dänemark. Finn Juhls mit Wasserfarben kolorierte Entwürfe sind von eigener Schönheit, was diesen Bildband weit über private Wohn- und Shoppingträume hinaus interessant macht.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2019
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