Süddeutsche Zeitung

Mediaplayer:Der letzte Cowboy ist immer der beste

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In einer Charakterstudie von Robert Krzykowski bezwingt Sam Elliott Hitler und Viren.

Von Nicolas Freund

Der Geschmack des Whisky bringt die Erinnerung zurück an jenen Tag in Deutschland vor mehr als vierzig Jahren, als Calvin Barr eine SS-Uniform anzog, um die Tarnung zu perfektionieren, eine Uhr mit Hakenkreuzzeigern anlegte und sich aufmachte, Adolf Hitler zu töten. Die streng geheime Mission war zugleich ein voller Erfolg und eine komplette Niederlage: Barr gelang es tatsächlich, ins Innerste des Naziapparats vorzudringen und Hitler mit einer Pistole, deren Einzelteile als Feuerzeug, Kugelschreiber und Flachmann getarnt waren, zu töten und damit vermeintlich den Krieg zu beenden. Nur: Der Tod des Führers änderte am Kriegsverlauf gar nichts, die Ideologie, für die Hitler stand, lebte unbeirrt von dieser Heldentat fort. Der alte Barr - perfekt besetzt mit dem knorrigen Cowboy-Urtypen Sam Elliott - sitzt zu Beginn des Films in einer Bar, starrt in seinen Drink und fragt sich, was in seinem Leben falsch gelaufen ist.

Man kann es geschmacklos finden, dass ein Film 75 Jahre nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat einen Anschlag auf Hitler nicht nur als Tarantino-Kopie mit extrastrammen Nazis und Rüstzeug wie aus James Bonds Waffenkammer inszeniert, sondern ihn auch noch in erster Linie für die Charakterstudie eines alten Cowboys nutzt. Damit wird man diesem Film, der heftigst mit dem Trash flirtet, aber eigentlich keine Monster- und keine Heldengeschichte erzählen möchte, nicht gerecht. Der Film porträtiert mit den Mitteln der Popkultur einen Mann, der Bilanz zieht, und der waghalsige Spagat von "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" gelingt dank der schauspielerischen Leistung Elliotts, der diesen alten Mann mit so schöner Melancholie spielt, dass man ihm selbst auf Bigfoot-Jagd folgt.

Die Ausstattung und die Ideen hätten für drei Filme gereicht

Denn Calvin Barr, der nicht nur über dem Attentat, sondern auch über der verlorenen Liebe seines Lebens brütet, wird noch einmal für einen Einsatz gebraucht. Der Mann ist einmalig, mühelos lernt er alle Sprachen, er ist auch im hohen Alter noch ein gefährlicher Kämpfer und selbstverständlich versierter Waffenexperte, dabei aber stets die Ruhe in Person. So jemanden braucht man für einen Auftrag vom Kaliber des Hitler-Attentats: In Kanada verteilt ein Bigfoot-Monster ein gefährliches Virus. Mit einem Ein-Mann-Militäreinsatz soll das Problem gelöst werden.

Die Figur Barrs ist nicht nur eine überraschende Charakterstudie, sondern auch eine Allegorie auf die USA und ihre Interventionen in der ganzen Welt. Die Auslandsabenteuer und all die Toten haben etwas mit dem Land gemacht, und wie der alte Cowboy, der mit seiner Intelligenz und seinen Fähigkeiten alles im Leben hätte erreichen können, kann sich mancher Amerikaner heute fragen, ob in den letzten Jahrzehnten Chancen verpasst und die falschen Prioritäten gesetzt wurden.

Man muss hinnehmen, dass hier ein Hitler-Attentat und eine Monsterjagd gegenübergestellt werden, denn eine überzeichnete Version Hitlers ist inzwischen fester Bestandteil der Popkultur. Der Film dekonstruiert diesen Ballast, den er sich auflädt, aber sehr schön, indem er Barr und seine Taten auf der Grenze zwischen Heldentum und Lächerlichkeit balancieren lässt. Denn die beiden Erfolge haben in mancher Hinsicht sehr viel und in anderer gar nichts bewirkt. Vielleicht liegt das Unbehagen an der eigenen Geschichte, das Barr stellvertretend für sein Land umtreibt, auch darin, dass zwei der größten vorstellbaren Heldentaten sind, Hitler getötet und einen Bigfoot erlegt zu haben. Ist damit das Potenzial dieses Mannes und dieses Landes wirklich schon ausgeschöpft gewesen? Andererseits: Wer kann schon Ähnliches von sich behaupten?

Regisseur Robert Krzykowski hat für seinen ersten Film alles herausgeholt: Soundtrack und Schauspieler sind auf höchstem Niveau, die Ausstattung hätte für drei Filme gereicht, und in diesem überambitionierten, klugen, durchgeknallten Debüt stecken Ideen, die für eine ganze Filmemacherkarriere reichen.

The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot , auf DVD, Blueray und Video on demand.

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Quelle:
SZ vom 22.07.2019
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