Süddeutsche Zeitung

Interview mit dem Comiczeichner Flix:"Ich sehe mich wie einen Zirkusdirektor"

Lesezeit: 3 min

Der Comiczeichner Flix über sein Marsupilami-Abenteuer "Das Humboldt-Tier", den Großstadtdschungel Berlin und seine Ideen für eine "Gaston"-Fortsetzung.

Interview von Christoph Haas

Flix, bürgerlich Felix Görmann, zählt zu den erfolgreichsten deutschen Comiczeichnern. Bekannt ist er für autobiografische Arbeiten wie "held", aber auch für Klassiker-Adaptationen wie "Faust", "Don Quijote" oder "Münchhausen". Vor vier Jahren hat er als erster nicht-frankophoner Künstler ein "Spirou"-Album veröffentlicht ("Spirou in Berlin"). Mit "Das Humboldt-Tier" (Carlsen Verlag) legt Flix nun ein Marsupilami-Abenteuer vor: Im Berlin des Jahres 1931 freundet sich das sagenhafte Dschungelwesen mit einem kleinen Mädchen an.

SZ: Nach Spirou, dem unermüdlichen Helden in Pagenuniform, jetzt das Marsupilami - wie ist es dazu gekommen?

Flix: Ich hätte das Wundertier schon sehr gerne in "Spirou in Berlin" verwendet! Aber das war leider nicht möglich, da der belgische Dupuis-Verlag, der die Rechte besitzt, darauf besteht, dass das Marsupilami nur noch allein, nicht mehr gemeinsam mit Spirou und dessen Freund Fantasio auftreten soll. Als ich dann die Lesereise für "Spirou in Berlin" gemacht habe, ist mir immer wieder aufgefallen, wie groß das Interesse des Publikums am Marsupilami ist. Und zwar völlig unabhängig vom Alter: Alle lieben das Marsupilami.

Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, die Handlung erneut in Berlin anzusiedeln?

Ein Freund hat mir von seiner Arbeit als Zeichner im Berliner Naturkundemuseum erzählt. Dort gibt es eine große Menge an Kisten, die Forscher von ihren Reisen mitgebracht haben und erst nach und nach geöffnet werden. Alexander von Humboldt etwa hat unglaubliche Mengen gesammelt, die erst nach Paris geschickt wurden, und als man sie dort nicht mehr haben wollte, nach Berlin. Wenn sich in den Kisten exotische Tiere befinden, werden sie nicht fotografiert, sondern gezeichnet, da sich die Merkmale einer Spezies so besser festhalten lassen. Na, und da habe ich mir gedacht: In solch einer Kiste könnte auch ein Marsupilami stecken, das dann zum Leben erwacht.

Im Dschungel wollten Sie das Marsupilami nicht agieren lassen?

Auf keinen Fall! Interessant wird es erst, wenn man das Marsupilami aus seiner Heimat in eine ganz andere Welt versetzt.

In den letzten Jahren hat es verschiedene Interpretationen des Marsupilamis gegeben. Sie haben sich für eine eher traditionelle entschieden. Ihr Marsupilami ist das knuffige Wesen, wie man es aus den Comics André Franquins kennt.

Franquins Version ist für mich einfach das Marsupilami.

Zugleich verleihen Sie dem Marsupilami leicht anarchistische Züge. Es setzt, buchstäblich im Vorübergehen, seinen Schwanz ein, um Tiere aus Käfigen zu befreien, einem Bettler zu Geld zu verhelfen oder Nazis zu verprügeln.

So sehe ich das Marsupilami eben auch. Es ist ein kleiner Anarcho, aber nur, um Gutes zu tun. Ob ihm ganz klar ist, was es da tut, spielt keine Rolle; Hauptsache, es passiert etwas Gutes. Das Marsupilami mag keine Raubtiere, auch keine menschlichen, und wenn es denen begegnet, kriegen die halt etwas auf die Schnauze.

Warum spielt die Geschichte ausgerechnet 1931?

Ursprünglich war 1952 geplant, weil Franquin in diesem Jahr das Marsupilami erfunden hat. Aber da spielt schon der Marsupilami-Band "Die Bestie" (2020), von Frank Pé, und Dupuis wollte diese Überschneidung nicht. Das Nachkriegsberlin, die Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders, das hätte mich gereizt. Aber die jetzt gewählte Zeit gibt der Geschichte etwas, das sie zuvor nicht hatte. Das Berlin der späten Weimarer Republik als "Großstadtdschungel" und als ein Ort, wo Fremde nicht bei allen willkommen sind - das passt doch sehr gut zum Marsupilami, das etwas ganz Fremdes verkörpert.

Zu Beginn des Albums begegnet man Humboldt, der im Jahr 1801 in Südamerika unterwegs ist. Sie entwerfen ihn als eine Art Indiana-Jones-Karikatur: enthusiastisch, aber auch ziemlich skrupellos.

Wenn er aus Versehen den Dschungel abfackelt, kümmert ihn das wenig. Aber im Ernst, bei manchen Dingen, die Forscher früher mitgebracht haben, fragt man sich heute doch, ob sie dabei im Recht waren. Samen und Pflanzen okay, schwieriger wird es schon bei Tieren und erst recht bei Kulturgegenständen.

In "Spirou in Berlin" gab es viele Anspielungen auf die bis 1938 zurückreichende Tradition der Serie. In "Das Humboldt-Tier" haben Sie sich zurückgehalten, bis auf ein paar für Berlin spezifische Anspielungen etwa auf Zille und Walter Trier.

Vater und Sohn von e. o. plauen tauchen auch auf. Aber da plauen erst 1934 begonnen hat, die Serie zu zeichnen, ist der Sohn bei mir noch ein wenig jünger.

Sie wagen sich gerne an ungewöhnliche, die normale Panelreihung sprengende Seitengestaltungen, hier auch wieder, etwa wenn das Marsupilami durch einen Nachtclub hüpft.

Ja, das sind meine Angeberseiten. Grundsätzlich ist mir aber die gute Lesbarkeit der Bilder sehr wichtig. Daher darf es nicht zu viele solcher Seiten geben, so viel Spaß sie mir auch machen. Ich sehe mich wie einen Zirkusdirektor: Mich muss die Show in der Manege nicht unterhalten, sehr wohl aber das Publikum.

Erst Spirou, jetzt das Marsupilami, da fehlt Ihnen aus diesem Comic-Kosmos eigentlich nur noch der Bürobote Gaston.

Eine schon fertige Gaston-Fortsetzung ist von der Tochter Franquins ja gerade untersagt worden. Davon abgesehen: One Pager, wie bisher, das wäre nichts für mich. Erstmals eine richtige Geschichte mit Gaston zu erzählen, das wäre etwas. Da müsste sich aus seiner schluffigen Verweigerungshaltung etwas Positives ergeben. Gaston könnte in die Politik gehen und aus Faulheit den Beginn eines Kriegs verhindern. Solch eine Geschichte wäre eine schwierige Aufgabe, aber man könnte diese vertraute Figur in einer interessanten Weise weiterentwickeln.

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