Süddeutsche Zeitung

Klassikkolumne:Mit Bravour!

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Harfe, französische Geige, verliebte Viola: Der Klassikaufnahmemarkt ist sehr viel vielfältiger als das Konzertleben, das konsequent am Bekannten festhält.

Von Harald Eggebrecht

Wenn die Produktion von Aufnahmen Sinn macht, dann unbedingt den, bis dahin wenig Gespieltes, ganz Neues oder bisher Vernachlässigtes bekannt zu machen und damit anzuregen, das bisher Unbeachtete an jenen Ort zu überführen, wo Musik im unwiederholbaren Hier und Jetzt entstehen kann, in den Konzertsaal. Die siebenteilige Kassette mit französischen Violinsonaten ist dafür ein gutes Beispiel: Sie enthält natürlich die drei berühmtesten von Claude Debussy, Maurice Ravel und Cesar Franck. Aber wer kennt die zwei Sonaten der in ihrer Zeit erfolgreichen Komponistin Louise Farrenc (1804-1875)? Die melodiöse Leichtigkeit dieser Musik lässt Haydn und Mozart durchschimmern, aber ist in ihrer romantischen Liebenswürdigkeit ganz eigenständig. Die erste Sonate von Darius Milhaud von 1911 ist noch voller Franck und Fauré, die zweite, 1918 entstanden, spricht bei allen Erinnerungen an Debussy oder Ravel bereits eine ganz eigene Sprache, es klingt leicht, ironisch und auch traumverloren. Ganz anders dagegen André Jolivets Sonate von 1932, sie wirkt grafisch gezackt, manchmal knöchern und scharfkantig. Eins aber fällt bei allen Stücken auf, auch bei denen von Gabriel Fauré, Camille Saint-Saens, Guillaume Lekeu, Henri Vieuxtemps, Francis Poulenc oder Rhéne-Emanuel Baton: Es ist der enorme Klangfarbensinn in all dieser Musik, der sie außergewöhnlich macht, so verschieden die Komponisten auch sind. (Brilliant Classics)

Dass die Harfe längst nicht nur für rauschende Arpeggien in romantischen Opern und symphonischer Musik gut ist, sondern auch ein großartiges Soloinstrument, hat sich spätestens seit den Zeiten des großen Virtuosen Nicanor Zabaleta herumgesprochen. Er hat viele Komponisten des 20. Jahrhunderts inspiriert, und so finden sich auf dieser CD der exzellenten Anaëlle Tourret, die unter anderem beim Großmeister Xavier de Maistre studiert hat und Harfenistin beim NDR-Elbphilharmonie Orchester ist, Werke von André Caplet, Paul Hindemith, Benjamin Britten und Heinz Holliger, die zwischen 1924 und 1988 entstanden sind. Tourret weiß eindrucksvoll zwischen Caplets mal französischer mal spanischer Koloristik, Hindemiths erfrischender Sachlichkeit, Brittens Ausloten der Extreme und Holligers attackierender Knappheit bestens zu differenzieren. Hindemiths Gradlinigkeit veredelt sie farbenreich, Brittens grüblerische Suite hellt sie auf, Holligers Akzente explodieren bei ihr. Vortrefflich. (Es Dur)

Der Jahrhundertgeiger Fritz Kreisler war auch ein höchst eigenständiger Komponist. Und der Komponist Wolfgang Korngold galt als Wunderkind von Mozartischem Rang, bevor er ab 1934 in Hollywood einer der ganz großen Schöpfer symphonischer Filmmusik wurde. Das Hegel Quartet hat sich Kreislers hinreißend elegantem, von Wehmut, Charme und Witz erfülltem einzigen Streichquartett gewidmet und dem 3. Quartett von Korngold. Herausgekommen sind fesselnde Aufnahmen. Beide Stücke verlangen Brillanz wie Sentiment, Feuer wie Geschmack. Wer meint, hier herablassend übertreiben zu dürfen, verrät diese fein gewebte Musik, die sich solchem Zugriff unweigerlich zu entziehen vermag. Den "Hegels" gelingt es, Kreislers unnachahmliche melodische Leichtigkeit und seinen spielerischen Geist gut zu treffen. Ebenso realisieren sie Korngolds gespannten und vertrackten Romantizismus mit Bravour. (Ars Produktion)

Attilio Ariosti (1666-1729) war einst als Opern- und Oratorienkomponist berühmt. Doch kein Tasteninstrument, sondern die Viola d'Amore war sein Liebling. Ihr Tönen hat Johan Mattheson 1713 so beschrieben: "Ihr Klang ist argentin oder silbern / dabey überaus angenehm und lieblich". Ariosti hat in London sechs Sonaten für die "verliebte Viola" geschrieben, die er "Lessons" nannte. Das ist eine vornehme, ganz dem sanften Klang dieses sonderbaren Instruments verpflichtete Musik. Sonderbar, weil zu den sechs bis sieben Streichsaiten noch genauso viele Resonanzsaiten dazukommen, die nicht gespielt werden, aber den Klang mit jenem silbernen Nachhall ausstatten, der den Reiz des Instruments ausmacht. Mauro Righini spielt Ariostis Musik nobel und mit souveräner Könnerschaft. Mit von der Partie sind Ugo Nastrucci, Theorbe, und Danilo Costantini, Orgel und Cembalo. Sogar eine dreiteilige Kantate schrieb Ariosti zum Lobe seiner Viola d'amore. Righini und die Seinen geben mit der Sopranistin Elena Bertuzzi dieser Laudatio auf ein besonderes Instrument Klangschönheit und Glanz. (Brilliant Classics)

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