Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik: Kammermusik:Mitreißender Dvořák

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Das "Jerusalem Quartett" im Herkulessaal

Von Harald Eggebrecht

München - Endlich einmal nicht nur Geläufiges: Neben dem berühmten "amerikanischen" Quartett op. 96 von Antonin Dvořák gab es dessen mitreißendes Streichquintett Op. 97 und das wunderbar pastorale Sextett Op. 48. Es werden nicht viele sein, die diese beiden Meisterwerke einmal im Konzert erlebt haben. Nun, das so vitale wie klangbedachte, so virtuose wie ausdruckssüchtige, dabei nie gewalttätige oder forcierte Jerusalem Quartett (Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Violine, Ori Kam, Viola, Kyril Zlotnikov, Violoncello) hatte fürs Quintett seinen früheren Bratscher Amihai Grosz eingeladen, und beim Sextett spielte noch der großartige Cellomeister Gary Hoffman mit.

Dvořáks op. 1 ist ein Quintett, beim zweiten op. 77 nahm er zum Quartett einen Kontrabass hinzu, bei op. 97 kehrt er zur doppelten Bratsche zurück. Natürlich bedeutet gegenüber dem Quartett die Fünfer-Kombination eine andere Dichte mit chorischen Elementen der Violinen und Bratschen. Nur das Cello herrscht allein. Es wurde eine ungemein feurige Aufführung. Bei aller Pracht wurde der Klang nie dick, sondern behielt immer federnde Schlankheit und bebende Kraft. Wie die fünf miteinander wahrlich im "Gespräch" waren, sich gegenseitig ermunterten, einander lauschten und gemeinsam loslegten, war eine Demonstration modernen Kammermusizierens. Die ausgeprägte Individualität der Fünf kam wie von selbst zum Vorschein.

Das Sextett entstand 15 Jahre früher und gilt als Verbeugung Dvořáks vor seinem Mentor Johannes Brahms. Die Aufstellung, Celli in der Mitte, Violinen links, Violen rechts, fächert den Gesamtklang überzeugend auf. Das eine Cello (Zlotnikov) mischt sich melodiös ein, das andere (Hoffman) übernimmt die Bassrolle, während die höheren Streicher eher paarweise agieren. Die Sechs ließen das milde Licht dieser Musik leuchten, gaben sich der sanften Dumka-Melancholie im 2. Satz hin und entfalteten die Landschaft des Stückes in allem Reichtum. Ovationen für einen berauschenden Abend.

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Quelle:
SZ vom 27.04.2017
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