Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Glanz der Gegenwart

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Das Artemis Quartett im Prinzregententheater

Von Harald Eggebrecht, München

Vielleicht trifft ein Wort das künstlerische Wesen dieses eminenten Streichquartetts: Präsenz. Wenn Vineta Sareika und Anthea Kreston, Violinen, Gregor Sigl, Viola, und Eckart Runge, Violoncello, auf der Bühne stehen, breitet sich mit dem ersten Einsatz sofort das Gefühl aus, die gespielte Musik erklinge so wie gemeint und nicht anders. Die Zweifellosigkeit des Zugriffs, die Selbstverständlichkeit der Klangbalance, die Intonationssicherheit und die Unverwechselbarkeit der vier Persönlichkeiten, die sich dabei auf höchst gemeinsames, also symphonisches Tun verständigt haben und vital, das Publikum ansteckend, miteinander kommunizieren - all das macht das Artemis Quartett nun seit fast dreißig Jahren zur Vorbild setzenden Instanz im nobelsten Genre der Kammermusik. Das Ensemble hat mehrere Umbildungen hinter sich und doch immer wieder den eigenen hohen Standard erreicht. Aber wenn demnächst Eckart Runge die Formation verlässt, der von Beginn an auch die Bühnenpräsenz prägte, dann muss von einer echten, ja, wohl unüberbrückbaren Zäsur gesprochen werden.

Nun, im Prinzregententheater, boten sie Joseph Haydns "Reiterquartett" so aus dem Moment heraus lebendig, witzig, kraftvoll, klanglich und rhythmisch so konturenscharf verdeutlicht, dass nichts missverstanden werden konnte. Dieses Artikulationsvermögen bestimmte auch Béla Bartóks 4. Quartett, dessen virtuose und polyfone Aspekte lustvoll vorgeführt wurden: Der knorrig vielstimmige Kopfsatz, das feine Gewebe des Prestissimo, die betörend dargebotene Cellokantilene des Non troppo lento, die Atem verschlagende Raffinesse der Pizzicato-Spielarten im Allegretto und die Wucht des Finale - einfach toll. Seltsamerweise gelang eine solche Durchdringung vom ersten Takt an bei Johannes Brahms' 2. Quartett a-Moll nicht. Die ersten zwei Sätze wirkten verschleiert. Erst im Scherzo und im Finale glänzte wieder die pure Gegenwart höchster Streichquartettkultur.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2018
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