Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Gepfeffert

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Christian Tetzlaff mit dem Münchener Kammerorchester

Von Harald Eggebrecht, München

Oft wird aus Ludwig van Beethovens Violinkonzert op. 61 eine Art Andacht für Violine und großes Orchester gemacht in getragenen bis schleppenden Tempi, mit quasi weihevollen Augenaufschlägen des Geigers und schwergewichtigen Orchestertutti. Das Larghetto versandet dann in fast rhythmusloser Aneinanderreihung von schönen Momenten, das Finale bleibt ebenfalls eher schwerfällig, anstatt virtuos und keck ausgespielt zu werden. Das war am Abend beim Münchener Kammerorchester (MKO) unter Führung des Konzertmeisters Daniel Giglberger zum Glück anders.

Der Solist Christian Tetzlaff gibt dem Stück rhythmisch pointierte Straffheit, melodiöse Frische, Schärfe der Konturen, Reichtum der Kontraste und jenes Maß an virtuosem Schwung zurück, das einer Revitalisierung gleichkommt. Dazu die Kammerorchesterbesetzung, welche die Gefahr von Klangverfettung bannt und so elastisch wie manchmal drastisch Beethovens Musik formuliert. Dass früher Meister wie Josef Wolfsthal oder Bronislaw Huberman das Konzert auch so lebendig und hell spielten, sei angemerkt. Tetzlaff, der sich schon seit 1981 Beethovens eigene Kadenz für die Klavierbearbeitung seines Konzerts für die Geige eingerichtet hat, führte aufregend vor, dass der Kopfsatz vom Zwist zweier "Prinzipe" lebt - irritierendes Paukenmotiv gegen lyrische Entfaltung - , der in jener Kadenz gleichsam ausgefochten wird zugunsten des Lyrischen. Das Larghetto wurde zum zarten symphonischen Spiel zwischen Holzbläsern und Geige, das Finale flott und gepfeffert. Dem Beifallstosen dankte der große Geiger mit dem Andante aus Bachs a-Moll Solosonate.

Zuvor hatte das MKO die magischen Quint-Schichtungen der "Consolation" des Isländers Jón Leifs sanft geboten. Nach der Pause wurde Giuseppe Verdis Streichquartett in einer Streichorchesterfassung mit Herz und Feuer gespielt, ohne aber die Leichtigkeit des Originals zu erreichen.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2019
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