Süddeutsche Zeitung

Kunst:Frauenförderung

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Die Liste der Künstlerinnen, die Barbara Gross in den vergangenen 30 Jahren nach München geholt hat, ist lang. Nun hat sie auch noch dafür gesorgt, dass Kiki Smith ihr druckgrafisches Werk der Graphischen Sammlung überlässt

Von Evelyn Vogel

Die Münchner Galerienlandschaft ohne Barbara Gross - kaum vorstellbar. In der noch immer männlich dominierten Szene für zeitgenössische Kunst stellt Barbara Gross eine singuläre Persönlichkeit dar. Nicht weil sie die einzige Galeristin Münchens oder die erste gewesen wäre. Sie fing später an als Six Friedrich oder Sabine Knust, später auch als Edith Rieder oder Renate Bender. Aber ihr Programm unterschied sich von Anfang an von denen der anderen, denn Gross setzte von Beginn auf weibliche Positionen in der Kunst. Ihr 30. Jubiläum zu feiern, wäre eigentlich schon im vergangenen Jahr angestanden. Aber ein Unfall hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. So konnte sie ihre geplante Trilogie nur noch im Jubiläumsjahr beginnen und setzt sie nun bis ins späte Frühjahr fort.

Ganz leicht scheint es ihr nicht gefallen zu sein, das kuratorische Heft dafür aus der Hand zu geben. Nur eine kleine Sonderschau für Kiki Smith hat sie sich vorbehalten. Einmal entschlossen, gab sie den Künstlerinnen und Künstlern Carte blanche, um die drei Ausstellungen zu kuratieren. Einzige Bedingung: Alle Arbeiten mussten aus ihrem Lager stammen. So kam es, dass Michaela Melián and Tonio Kröner den ersten Teil kuratierten, Ayşe Erkmen und Karin Sander für den aktuell gezeigten zweiten Teil verantwortlich zeichnen, und Bethan Huws und Christian Ganzenberg den dritten Teil der Jubiläumsschau zusammenstellen werden. Und mit jedem Teil sollen die Künstler-Kuratoren Inhalt und Programm der Galerie hinterfragen, sollen sie auf ihre zeitgemäßen Bezüge überprüfen. Dass sie dabei aus einer ganzen Reihe interessanter Persönlichkeiten auswählen können, dass sie alle auch die Bestände mit ganz anderen Augen sichten als die Galeristin selbst, macht die drei Ausstellungen so spannungsreich.

Dass Barbara Gross selbst eine starke Kuratorin ist, lässt sich nicht nur an ihren galeristischen Aktivitäten ablesen, die sie 1988 an der Thierschstraße im Lehel begann und seit 2010 in der Theresienstraße gegenüber dem Museum Brandhorst fortsetzt. Früh schon behauptete sie sich mit Ausstellungen außerhalb ihres Kunstraums. So zeigte sie schon 1986 in einer Gruppenausstellung in der Villa Stuck unter anderen Nancy Spero und Renate Bertlmann - Letztere wird dieses Jahr den österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig kuratieren. 1991 organisierte sie eine Ausstellung mit Kunst von Frauen in der Lothringer 13-Halle; und 1994 holte sie zusammen mit anderen Galeristen wie Storms, Wittenbrink und dem jüngst verstorbenen Karl Pfefferle zahlreiche europäische Künstler für eine "Europa"-Ausstellung in die Stadt - gemeinsam bespielten sie gleich mehrere Orte.

So sehr sie als Einzelkämpferin in der Szene wirkt, so sehr liegen ihr gemeinsame Anstrengungen der hiesigen Galeristen am Herzen. Sei es die seit 30 Jahren existierende Initiative Münchner Galerien zeitgenössischer Kunst, das für einige Jahre angestrengte Kunstwochenende oder "Various Others", der jüngste Versuch, Münchens Galerieszene zu internationalisieren - Barbara Gross ist mit an Bord. Dass sie dabei meist nicht im Mainstream schwimmt, sondern ihre eigenen Wege geht, ist ihr wichtig. Als amerikanische Minimalisten angesagt waren, suchte sie sich ebenso andere Künstler wie nach dem Fall der Mauer, als sie zu erkunden suchte, wie weit Europa künstlerisch tatsächlich reicht. "Künstler, die sich mit ihren Kulturkreisen beschäftigen, finde ich spannend", sagt sie. Auch deshalb hat sie chinesische Künstler ins Programm genommen sowie Künstler aus Indien oder dem südamerikanischen Umfeld. Dabei setzt sie sich so intensiv mit den jeweiligen Künstlerpersönlichkeiten auseinander, dass sie manches Werkverzeichnis fast im Schlaf zitieren könnte oder mitunter besser als die Künstlerin selbst weiß, an welche Institution ein Werk oder eine Serie gegangen ist.

Zu dem, was Barbara Gross "Aufweckpolitik für München machen" nennt, zählt auch, konsequent Künstlerinnen zu zeigen und systematisch zu fördern. Auch wenn ihr durchaus klar ist, dass es lange Jahre auch deshalb leicht war, Künstlerinnen neu zu gewinnen, weil weibliche Positionen auf dem Markt kaum gefragt waren. Ob die schon genannten Nancy Spero, Bethan Huws, Ayse Erkmen, Karin Sander und Michaela Melián, ob Ida Applebroog, Louise Bourgeois, Silvia Bächli, Valie Export, Katharina Gaenssler, Katharina Grosse, Maria Lassnig, Tejal Shah, Sol Calero, Alicia Framis, Tamara Grcic, Jana Sterbak, Beate Gütschow, Sabine Hornig, Simone Lanzenstiel, Sonia Leimer oder Anni Leppälä - die Liste der Künstlerinnen, die Barbara Gross früh nach München holte oder dauerhaft vertritt, deren Ausstellungen sie an Museen vermittelte oder Werkankäufe initiierte, ist beeindruckend.

Ein richtiger Coup ist ihr mit Kiki Smith gelungen. Die Zusammenarbeit mit der in Nürnberg geborenen amerikanischen Künstlerin währt nun schon einige Jahre. Als Smith sich überlegte, ihr druckgrafisches Werk an ein Museum in ihrer Geburtsstadt zu geben, war es Barbara Gross, die sie davon überzeugte, dass die Graphische Sammlung in München das perfektere Umfeld bieten könne. Hier musste man sich zwar auch anstrengen, um den konservatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Aber sowohl der damalige Direktor Michael Semff wie sein Nachfolger Michael Hering trieben den Plan voran, der durch die umfangreiche Schenkung und die Ausstellung in die Tat umgesetzt wurde. Für Barbara Gross ist es ein Geschenk in ihrem Jubiläumsjahr, auf das sie stolz ist.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2019
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