Süddeutsche Zeitung

Kunst:Artefakte aus der Zukunft

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Die Jahresausstellung in der Akademie blickt aus 4589 zurück

Von Jürgen Moises, München

Was werden zukünftige Lebewesen von uns finden? Was wird aus unserer Zeit im Jahr 4589 übrig sein? Die Klasse von Julian Rosefeldt an der Münchner Akademie der Künste hat sich darüber Gedanken gemacht und präsentiert ihre Ergebnisse unter dem Titel "Strata. Museum for the Age of Punumbra" bei der diesjährigen Jahresausstellung. Zu den Artefakten aus einer imaginierten Zukunft, die man in einem von Studierenden der Biberach School of Architecture entworfenen Pavillon findet, gehören: Überreste einer Mauer, die im Norden der Vereinigten Staaten Mittelamerikas gestanden haben muss; eine Gebetsmühle versehen mit "@"-Zeichen; und dann noch ein paar andere Objekte, die rätselhafte Wörter wie "Kunst", "Diesel" oder "Hate Speech" enthalten.

Der Blick von 4589 aus auf heute, er entspricht in etwa dem, den die heutige Archäologie auf die Kultur der Kelten oder der Iberer hat. Oder dem, den Theologen auf Adam und Eva werfen, denen sich Nam Ji Hyung mit einer Performance in der Aula widmet. Ganz so weit reichen die anderen Werke nicht zurück, mit denen die Studierenden die vergangenen Monate, das vergangene Jahr und teilweise ihr Studium resümieren. Denn aufgrund der Einführung einer neuen Studien- und Prüfungsordnung sind dieses Mal einige Diplomanden mit dabei. So trifft man bereits im Vorgarten auf eine Abschlussarbeit, einen "KM-Shop", der von Xu Yuan stammt. "KM" steht für "Künstlermarkt". Dort gibt es gepresstes Molkepulver zu kaufen. Auch das vielleicht ein Stoff, eine Droge der Zukunft?

Den Kunstmarkt-Index "Die Stars von morgen" hat sich Florian Huth als Grundlage für seine Diplomarbeit genommen. Das heißt: Er hat Arbeiten von Künstlern, die dort vor ihm auf der Liste stehen, im Internet gesucht, sie nachgemacht und stellt damit den Kult der Originalität sowie die Ideologie des "Be Yourself" in Frage. Denn sind wir nicht alle irgendwie Kopisten? Und kann es ohne Kopien überhaupt Originale geben? Wie sich die Natur zur Kunst verhält, ist ebenfalls eine klassische Frage. Eine, die sich noch einmal gesondert bei Kraus Cetric stellt, dessen Diplomarbeit aus einem echten Baum besteht. Xenia Fumbarev hat fotografierte Schatten auf Fassaden auf Betonplatten gedruckt. Mehr als eine Tonne Beton, erzählt sie, hat sie in den vergangenen zwei Jahren verbraucht, um ihre illusionistischen Schatten zu schaffen. Nil Bräg erzeugt Abstraktion durch Überlagerung. Das heißt, er hat Alltagsräume fotografiert und Details daraus digital übereinandergelegt. Das Ergebnis sind flirrende Farbdrucke, die er "Kopiergemälde" nennt. Iason Konstantinou lässt aus elektrischen Wellen abstrakte Muster entstehen und wirft diese mit einem Laser an die Wand. Vorausgesetzt, er hat noch einen Kurs als Strahlenschutzbeauftragter gemacht. Sonst darf er, so hat er erzählt, den Laser nicht verwenden.

Warum mit Kunst zur Diskussion anregen, wenn man sofort reden kann? Das hat sich Jesaja Rüschenschmidt gedacht, dessen Diplomarbeit "Abstrakte Solidarität" aus einer Diskussionsreihe besteht. Innerhalb eines selbst geschaffenen Raums im Vestibül der Akademie führt er Aktionsgruppen zusammen. In der Hoffnung, dass das zur Vernetzung, Bündelung der Interessen und neuen Ideen führt.

Daraus spricht eine Sorge um die Zukunft, wie sie auch Studierende der Innenarchitektur bewegt. Unter dem Titel "Circular Design" haben sie Dinge wie natürliches Geschirr aus Apfeltrester oder Wachsmalkreide aus Sojawachs geschaffen, die eben nicht bis 4589 als Müll überdauern sollen. Eine ganz andere Zukunftssorge treibt Studierende von Jorinde Voigt und Pola Sieverding um. Da Voigt die Akademie demnächst verlässt, haben sie Angst, dass deren Stelle - so wie die von Olaf Metzel und Jean-Marc Bustamante - vorerst vakant bleibt und ihr Studium darunter leidet. Deshalb machen sie, nachdem an diesem Samstag um 12 Uhr im Neubau die Diplome verliehen wurden und die Jahresausstellung um 14 Uhr im Altbau offiziell eröffnet worden ist, um 18 Uhr eine Protest-Aktion.

Jahresausstellung ; 20. bis 28. Juli, Akademie der Bildenden Künste, Akademiestr. 2-4

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Quelle:
SZ vom 20.07.2019
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