Süddeutsche Zeitung

Konzert:Erben mit Haltung

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Die Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft leistet sich ein neues eigenes Ensemble. Der kritische Geist des Namensgebers soll damit in die Gegenwart geholt werden

Von Rita Argauer

Eigentlich sind solche Gesellschaften, die sich dem Andenken und Erbe eines bestimmten Künstlers widmen, per definitionem eher konservativ. Wenn nun aber der Künstler, dem gedacht werden soll, alles andere als konservativ war, gerät dieses Konstrukt ein wenig ins Wanken. Die Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft ist in genau dieser Position. Hartmann war politischer wie sensibler Zeitdiagnostiker, der Musik komponierte, die ein wunderbares Maß zwischen klassischer Form und seiner Zeit gemäßem Ausdruck fand. Ihm ausschließlich museal zu gedenken, verrät seine Ideale.

Die ihm gewidmete Gesellschaft und ihr künstlerischer Leiter Andreas Hérm Baumgartner steuert da gegen. 2016 begann die Konzertreihe "Hartmann 21", in der auch die Musik junger zeitgenössischer Komponisten aufgeführt wurde. Mit einem neu gegründeten gleichnamigen Ensemble wird dieser Weg das Erbe Hartmanns in das 21. Jahrhundert zu transferieren, konsequent weitergeführt.

Erst einmal erscheint das etwas luxuriös, wenn eine solche Gesellschaft nun auch noch ein eigenes Ensemble unterhält. Doch der Anspruch, den Baumgartner dabei hat, ist groß. Mehr als die Musik soll der Geist Hartmanns aufleben: "Raus aus dem Elfenbeinturm, der Künstler muss auch Auge und Ohr einer Gesellschaft sein, es muss Menschen geben, die auf die Missstände der Gesellschaft reagieren." Ihm geht das, wenn er heute auf den Klassik-Betrieb blickt, oft ab: Zufällig von Veranstaltern zusammengewürfelte Musiker spielen Standard-Stücke, die sie zuvor ein oder zwei Mal zusammen durchgespielt hätten. Er aber wünscht Haltung, Bewusstsein und Ehrlichkeit von den Musikern.

Die Finanzierung ist über Subventionen sowie einige Sponsoren gesichert, weshalb die Hartmann-Gesellschaft ihr neues eigenes Ensemble auch bezahlen und Baumgartner seine Ansprüche an die Musiker auch einfordern kann. Etwa, dass Ensemblemitglieder länger zusammen proben, sich als feste musikalische Partner kennenlernen und Ziele ausarbeiten können, die über die oberflächliche Interpretation hinaus gehen.

Dafür hat er sich mit dem Münchner Cellisten und Komponisten Hans-Hennig Ginzel zusammengetan, der die musikalische Leitung des neunköpfigen Ensembles übernommen hat. Die Musiker, die zwischen 25 und 35 Jahre alt sind, etwa Georg Pfirsch, der auch bei den ersten Geigen der Münchner Philharmoniker spielt, oder die BRSO-Akademistin Amelie Böckheler, haben Ginzel und Baumgartner gezielt angesprochen. So treffen Orchestermusiker, die sich auch in der Neuen Musik auskennen, auf Absolventen der Münchner Musikhochschule, wie etwa die Pianistin Brigitte Helbig.

"Das soll kein Mucker-Ensemble sein, das überall und alles spielt", erklärt Baumgartner, die Musiker sollen sich mit dem Ensemble und dem klar formulierten Anspruch identifizieren. In den Konzertprogrammen, die auch ohne eigenes Ensemble schon im Keller von Hartmanns Haus in der Franz-Joseph-Straße in Schwabing stattfanden, spiegelt sich diese Haltung. Baumgartner programmiert Neue Musik, die bisweilen auch ganz schön unzugänglich ist, sodass die Konzertdramaturgie tiefere Verbindungslinien bekommt: ein Motiv, eine Besetzung, ein Gedanke, der sich durchzieht. Etwa nun im ersten Konzert mit Werken von Jörg Widmann oder Ginzel selbst.

"Es geht darum, eine große Intensität zu suchen", sagt Baumgartner und meint das Ensemble und seine Programme und Konzerte gleichermaßen. Einen Kompositionswettbewerb hat er deshalb auch noch in Hartmanns Namen ausgerufen. Dabei wird jedoch keine Besetzung oder Länge vorgeben, sondern die zu komponierenden Verbindungen. Die anderen Werke des Programm sind bekannt, der Jung-Komponist muss sich daran orientieren.

Ensemble Hartmann 21 , Donnerstag, 1. Februar, 20 Uhr, Hartmann-Gesellschaft, Franz-Joseph-Str. 20, www.hartmann-gesellschaft.de

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Quelle:
SZ vom 01.02.2018
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