Süddeutsche Zeitung

Kolume "Mediaplayer":Meister des Seriellen

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Zwei DVD-Neuerscheinungen des Schnelldreh-Gurus Roger Corman, die ein bizarres Phänomen erhellen: Weil Cormans Horror-und Alien-Visionen oft sehr kurz waren, ließ der deutsche Verleih seltsame Szenen mit deutschen Schauspielern hinzufügen.

Von Fritz Göttler

Das Leben ist ein obskurer Hobo, der sich zu einem Trip aufschwingt auf dem Omnibus der Kunst... Ein merkwürdiges poetisches Programm, ein Poetry Slammer verkündet das in einem kleinen Cafe für Beatniks und Existenzialisten in dem legendären "Bucket of Blood" von Roger Corman, Ende der Fünfziger. Corman hat damals die amerikanische Filmkunst mit seinen billigst, schnell gedrehten Produktionen auf den Kopf gestellt, und die Kunst ganz allgemein. Sein Lebenswerk ist so reich, dass alle paar Monate ein Corman (wieder) neu auf DVD erscheint.

In dem Film, der bei uns "Das Vermächtnis des Professor Bondi" heißt, geht es um eine Rückkehr zum Realismus, um neue brutale Kunst. Walter Paisley, der im Café den Servierburschen macht - Dick Miller spielt ihn sanft-naiv wie Jerry Lewis -, will auch unbedingt dazugehören, als Künstler. Als er versehentlich die Katze seiner Vermieterin absticht, verkleidet er den Kadaver des Tieres mit Ton und präsentiert ihn als Skulptur, inklusive Messer im Körper. Danach kommen, mit entsprechendem Ausgangsmaterial, lebensgroße Menschenfiguren dran, mit verzerrtem Gesicht. Das ist scheußlich, sagt eine Bewunderin, aber genial.

Dem deutschen Verleih war der Film damals zu kurz, es wurden einfach Szenen dazu gedreht, ein kleiner Prolog, der uns über die Herkunft von Walter aufklärte. Man sah: ein deutsches Schloss, einen Friedhof, eine Gelehrtenstube, einen mad scientist, Caligari pur. Ein absurder Fremdkörper im Film, auch der Name Professor Bondi ist eine rein deutsche Erfindung.

Kaum war der Sputnik im All, hatte Roger Corman schon den Film dazu

Schon zwei Jahre zuvor war man mit einem anderen Corman-Film sehr kreativ umgegangen. Mit "War of the Satellites / Planet der toten Seelen" hatte Corman schnell und unprätentiös Sputniks und den Aufbruch der Menschheit in den Weltraum thematisiert, die Kontaktaufnahme mit Aliens. Eins der Raumschiffe explodiert, und die deutschen Zuschauer werden für die letzten Minuten in das Raumschiff geholt, wo die Astronauten, deutsche Schauspieler, in klobigen Fünfzigerjahre-Sesseln hocken und Sätze von sich geben wie "Ich habe nichts bemerkt, nur Meteoritenstaub... apropos Staub, hast du auch so einen Durst?". Die Sessel tauchen dann in der Wohnung des einzigen Überlebenden einer früheren Expedition wieder auf, gediegene bürgerliche Fünfziger-Innenwelt. Seine Verlobte will dem seit der Rückkehr aus dem All völlig verstörten Mann bei seiner Genesung helfen. "Alles ist mir fremd", murmelt er, sie beschließen schwimmen zu gehen, nachts.

Sie werden gespielt von Klaus Kindler und Ursula Herwig, bewährten Schauspielern und Synchronsprechern, Kindler kennt man als die Stimme von Clint Eastwood, und beide dürfen auch in den Vorspann-Credits stehen, direkt unter den Corman-Stars Susan Cabot und Richard Devon. Es ist am TV orientiertes Kammerspiel, ganz im Gegensatz zum punktuellen Stil von Corman, bei dem an Psychologie nicht zu denken ist. Das war die große Lehre damals, von Corman und Warhol: Dass Kunst nicht mehr auf Originale aus ist, auf Einmaligkeit und Unvergleichlichkeit, sondern auf Wiederholung und Serialität, dass ein Kunstwerk nicht abgeschlossen ist, sondern offen für Veränderungen in der Zeit. Was er einmal vorgetragen habe, bekennt der Kaffeehaus-Slammer von "Bucket of Blood", habe er danach gleich wieder vergessen.

"A Bucket of Blood" ist auf DVD und Bluray bei Koch Films erschienen, "War of the Satellites" bei Daredo.

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SZ vom 28.09.2020
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