Süddeutsche Zeitung

Klassische Musik:Bach und Bier

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Ein begeisternder Themenabend im Münchner Westend

Von Rita Argauer, München

Ein kleiner Raum im Münchner Westend, vielleicht 20 Quadratmeter groß. Drinnen stehen Sofas und Stuhlreigen, flankiert von ein paar halb verdorrten Topfpflanzen und dem üblichen Dekor solcher alternativen Off-Spaces. Also selbstgedruckte Plakate für kommende Veranstaltungen, Fanzines und ein paar Bierflaschen. An der Wand hängt die Pappe eines halben Umzugskartons. Darauf schreibt der Hörspielautor Florian Schenkel Begriffe: "Opera Seria und Opera Buffa" oder "Dramma per Musica". Später fügt er noch aus dem Kopf die Uraufführungsdaten und -orte sowie die korrekten Köchelverzeichnis-Nummern von Mozarts "Idomeneo", dem "Don Giovanni" und dem "Figaro" hinzu. Das ist schon faszinierend, denn Schenkel hält dort einen einerseits recht frei assoziierten Vortrag über klassische Musik und insbesondere Mozart. Zum anderen hat er dabei jedoch schon zwei Flaschen Bier getrunken und hat weder ein Skript noch sonstige Notizen in der Hand.

In diesem Raum, der bezeichnenderweise den Namen "Irrland" trägt, treffen sich normalerweise die Splitter und der erweiterte Freundeskreis des "Departement of Volxvergnügen". Früher veranstaltete man unter diesem Namen alternative Technopartys. Heute, mit Mitte bis Ende dreißig, sind sie alle ein bisschen älter geworden und treffen sich dort im Irrland lieber, um über Pop, Politik und Wissenschaft zu diskutieren. Man nimmt die Popmusik hier in der Regel mit geisteswissenschaftlichem Anspruch ernster als üblich. Am Sonntag fand dort nun zum ersten Mal ein Themenabend zur klassischen Musik statt.

Die Klassik, die wird hier aber erst einmal weit weniger ernst genommen als üblich. Denn Florian Schenkel nähert sich der Musikgeschichte über Bach und Händel bis zu Mozart in einer betont beiläufigen Sprache, vermischt wild seine Assoziationen, zeigt Bilder und Musik und erzählt Biografisches und Musikwissenschaftliches. Die etwa 15 Zuhörer, die dem Klischee des Klassikpublikums ferner nicht sein könnten, lachen größtenteils herzlich. Doch dann entspinnt sich aus diesem Vortrag ein so hinreißend ungekünstelter Zugang zu Mozarts Leben und Werk, dass es eine reine Freude ist. Denn hier referiert jemand mit Scharfsinn und großem Wissen, jedoch ohne jegliche Doktrin der Klassik-Szene, über Musik, die ihn zutiefst berührt hat. Lebendiger, begeisterter und unverkrampfter hat man Musikvermittlung bisher selten erlebt. Und es bleibt nur der Wunsch: Führt diese Veranstaltung bitte fort!

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Quelle:
SZ vom 24.01.2017
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