Süddeutsche Zeitung

Kino: "Lissi und der wilde Kaiser":Highlife auf Schloss Schöngrün

Lesezeit: 3 min

In Michael "Bully" Herbigs Zeichentrickfilm "Lissi und der wilde Kaiser" fliegen die Röcke wie einst bei Marilyn, und ein genervter Yeti paktiert mit dem Teufel. In den besten Momenten ist das großes Kino.

Fritz Göttler

Nun wird es also ernst, von Anfang an. Der neue Bully-Herbig-Film beginnt am existentialistischen Ort par excellence, in der Eisregion der österreichischen Berge, das verspricht eine tieftragische, eine hochdramatische, eine nachgerade faustische Dimension. Mit einem alpinen Teufelspakt startet der Actionwirbel, einem lüsternen Teufel abgerungen von einem genervten Yeti. Und dieser Bergler bleibt - dem Titel und den Trailern, allen Erwartungen der Fans zum Trotz - der heimliche Held des Films.

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Die schönste Frau soll er dem Teufel besorgen, und das ist nun mal Lissi, die junge Kaiserin, die Highlife macht mit ihrem wilden Kaiser auf Schloss Schöngrün. Die frischen Wind mitbringt, dass der Rock fliegt, wie einst Marilyn es tat. Der Film ist nicht als Parodie angelegt, dafür liebt Bully Herbig das Kino zu sehr. Er nimmt die alten Sissi-Filme ernst, die gern in die Kitsch-und-Trash-Ecke geschoben werden.

Sein Lissi-Film besteht auf Authentizität, in jeder Hinsicht. Die Kaiserin Elisabeth, erklärt er, habe ihre Briefe immer mit Lissi unterschrieben - aber das schön geschwungene L habe man irrtümlich als ein S gelesen. Für den Look seines Films hat er sich an den Farben und Formen der Marischka-Filme der Fünfziger orientiert. Und an den großen Küssen der Kinogeschichte, von "Vom Winde verweht" bis zu "Titanic". Und "Flipper".

Nun aber die entscheidende Frage, die der Film nahelegt. Träumen Filmemacher heute von computergenerierten Schneemenschen? Wollen sie einmal im Leben einen Zeichenfilm auf die Leinwand bringen? Fühlen sie sich in diesem Genre dem Ursprung ihrer Kunst ganz besonders nahe? Nehmen sie die Einsamkeit, zu der sie dabei verdammt werden, in Kauf - diesen künstlerischen Teufelspakt mit dem Computer?

Singuläres Werk

Das "(T)Raumschiff Surprise" war bekanntermaßen einem demokratischen Zuschauerentscheid zu verdanken. Aber dann hatten diese immer wieder geäußert, eigentlich würden sie ja auch die damals abservierte Lissi ganz gerne sehen. In ein üppiges, enges Hofkostüm - inklusive Korsett - wollte Bully Herbig sich aber nicht für einen ganzen Film zwängen lassen - und Liebesszenen, die über den "Schuh des Manitu" hinausgehen würden, mit seinem Kumpel und Kaiser Christian Tramitz, kamen ihm auch nicht sehr sinnig vor.

Aber einen Zeichenfilm hatte er doch sowieso schon seit der Jugend machen mögen... Das Budget für "Lissi" kam natürlich nicht an die Hollywood-Millionen-Standards heran, und man sieht dem Film an, dass er nicht in einem Animationsstudio entstanden ist, wo Dutzende Leute tagein tagaus in ihrer imaginierten, animierten Welt leben und sich mit den vielen kleinen Problemen beschäftigen, um sie in den Computer und auf die Leinwand zu bringen.

"Lissi" ist in diesem Sinne kein Teamfilm, kein Gemeinschaftsprodukt, wie man sie aus der Disney oder aus der Pixar Factory kennt. Es ist das singuläre Werk eines aufgeweckten, intelligenten jungen Mannes, der die Welt sehr komisch findet und mit den Menschen in ihr sehr sympathisiert.

Mit Flinten und Sätzen herumfuchteln

Die atemraubende Fülle amerikanischer Animation kann eine deutsche Produktion natürlich nicht schaffen, dieses Spiel der haarfeinen Nuancen und Reflexionen. Weshalb der Lissi-Film mehr auf eine knallharte Sketch- und Blackout-Dramaturgie setzt - von Bully Herbig und seinem Team in jahrelanger TV-Arbeit erprobt. Ein wenig schade, dass es da dann vor allem um die eine große Sache zwischen Mann und Frau geht - was Sie schon immer über Schönbrunn wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten...

Um Stellungen, die gar nicht so sind, wie man das auf den ersten Blick vermuten möchte, um Freischwimmer im Wald und Nudisten, die mit den Partisanen transpirieren. In dieser Hinsicht ist der Film immerhin ein subtiles Gegenstück zu den Beziehungsklamotten von Marc Rothemund oder Leander Haußmann, die gerade den Geist der alten Republik in den Kinos reaktivieren.

Schön genial wird Bullys Film immer dann, wenn er sich ein bisserl gehen lässt, angenehm degeneriert gibt. In den Szenen mit den Verfolgern Ignaz und Schwaiger etwa, die hinreißend mit ihren Flinten und ihren Sätzen herumfuchteln. Und natürlich beim einsamen dunklen König von Bayern auf seinem Märchenschloss, der mit seiner sonnenbebrillten Melancholie allen andern die Schau stiehlt. Das ist elementares großes Kino, das ist Schwermut in höchster Vollendung.

LISSI UND DER WILDE KAISER, D 2007 - Regie: Michael Herbig. Buch: Michael Herbig: Alfons Biedermann. Kamera: Gerhard Schirlo. Musik: Ralf Wengenmayr. Produktionsdesign: Rainer Stock. Animation: Peter Kaboth. Mit den Stimmen von: Michael "Bully" Herbig, Christian Tramitz, Rick Kavanian, Lotte Ledl, Waldemar Kobus, Henni Nachtsheim, Gerd Knebel. Constantin, 85 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2007/ihe
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