Süddeutsche Zeitung

Jugendroman:Mord in Hollywood

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Skript zu einer Neflix-Serie aus dem Leben von Jugendlichen, das auch in Buchform nicht funktioniert, weil es von sämtlichen Banalitäten dieses Alters erzählt und der Mord nur am Rande interessiert.

Von Carolin Werthmann

Gorka liebt Paula, aber Paula ist in Samuel verknallt, und Samuel, tja, der steht auf Marina. Marina stirbt allerdings, und die Frage, wer sie umgebracht haben mag, wird zum Hintergrundrauschen des Buchs "Élite - Tödliche Geheimnisse", eines Romans voller adoleszenter Unsicherheiten, Irrungen und Frustration über das unglückliche Leben von Heranwachsenden.

"Élite" basiert auf der gleichnamigen spanischen Netflix-Serie, die das Setting - die Eliteschule Las Encinas - vorgibt. Einige ihrer Figuren kehren im Buch wieder, es bleibt allerdings bei einer müden Erwähnung, denn für "Élite"-Autorin Abril Zamora sind diejenigen Figuren interessanter, die im Serienskript gar nicht existieren. Sie schlüpft hinein in die Gedanken privilegierter Jugendlicher, die sich im hormongeschwängerten Dunstkreis Halbreifer fragen müssen, wie das eigentlich gelingt, herauszustechen aus der Masse der Superlative, aufzufallen, gemocht und begehrt zu werden. Dass über diesen Teenagerleben der Mordfall einer Mitschülerin kreist, macht die Figuren dieser Geschichte nicht unbedingt entspannter - die größten Sorgen gelten letztlich aber doch nur ihrem Ego. Autorin Zamora hatte offenbar wesentlich mehr Spaß daran, sich in die Probleme ihrer Protagonisten hineinzudenken, als in den Mordfall. Aber es war eben Prämisse der Netflix-Vorlage. Und wer Fan der Netflix - Vorlage ist, könnte Lust bekommen, das Buch zu kaufen.

Im Stil von Tagebucheinträgen, rotzig runtergeschrieben, sämtliche Banalitäten des Alltags eingefasst, protokolliert Zamora, wie das ist, hoffnungslos in den coolsten Typen der Schule verliebt zu sein, Sex mit jemandem zu haben, der bislang der beste Freund war, sich unattraktiv zu fühlen und im Dauerwettbewerb zu stehen mit den langbeinigen blonden Schulkolleginnen. Da ist zum Beispiel Janine, die sich hässlich findet und leider nie aufhört, das zu betonen. Auch Paula, die bereits eine Nasen-OP hinter sich hat und seitdem "wie ein sterbendes Tier durch den Mund" atmet, wiederholt sehr häufig, sie fühle sich wie der schlimmste Mensch auf Erden wegen eines Verrats an ihrer Freundin. Der einzige Auftrag, den Macho Mario hat, ist, regelmäßig zu beteuern, wie wenig er dafür kann, so ein krasser Alpha-Junge zu sein. Diese Ich-Erzählungen wechseln sich ab mit Szenen aus dem Verhörzimmer einer Kommissarin. Am Ende ist die Aufklärung des Mordfalls egal, wichtig sind die Gefühle, wenn sie nur so geschrieben wären, dass man ihnen glauben könnte. Die Sprache aber verharrt in Floskeln. "Man kann jeden über vierzig fragen, sie alle würden sagen, dass die Pubertät eine harte Zeit ist. Die Gefühle spielen verrückt, und selbst die kleinsten Probleme sind auf einmal hochdramatisch." Das sind Behauptungen mit hoher Redundanz, Mario, Paula, Janine bleiben Schablonen eines Hollywood-Teenie-Dramas, "Élite" könnte ebenso gut die Drehbuchskizze für "High School Musical" mit ein bisschen Mord, viel Sex und ab und zu Drogen sein - es wundert nicht, da Abril Zamora vor allem in der Filmbranche arbeitet. Das alles mag in einer Netflix - Serie funktionieren, es tut es aber nicht mal dort. Für einen Roman aber ist das zu wenig. (ab 13 Jahre)

Abril Zamora : Élite - Tödliche Geheimnisse. Aus dem Spanischen von Sonja Fehling. Fischer Verlag, Frankfurt 2020. 352 Seiten, 13 Euro.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2020
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