Süddeutsche Zeitung

John F. Kennedy:Die vielen Augenblicke eines Kandidaten

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Ein neuer Bildband anlässlich von John F. Kennedys 100. Geburtstag zeichnet den Aufstieg des umjubelten Politikers zum US-Präsidenten nach.

Von Anna Fastabend

In diesem Augenblick scheint sich John F. Kennedy, der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, von seinen Anhängern bedrängt zu fühlen. Sie strecken ihm ihre Hände wie Ertrinkende entgegen, eine Frau hat sich aus dem klaustrophobischen Menschenmeer retten können und liegt nun wie eine Gestrandete auf der Motorhaube des Wagens. Kennedy versucht, nicht den Halt zu verlieren. Er schirmt sich ab, schützt mit der linken Hand einen sich duckenden Menschen. Ob es sich dabei um Jackie Kennedy handelt, ist nicht zu erkennen.

Anlässlich von Kennedys 100. Geburtstag an diesem Montag legt der Taschen-Verlag einen Bildband neu auf, der anschaulich macht, wie aus einem erfolgreichen Politiker - Kennedy war Senator von Massachusetts - ein umjubelter Kandidat und schließlich der Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Es macht auch sichtbar, von wie vielen Menschen ihm dabei geholfen wurde. Das hatte Folgen: Jeder, der sich in die Propagandamaschinerie einreihte, verbuchte einen Teil von Kennedys Wahlsieg für sich. Dies gilt auch für Norman Mailer, einen der Gründer des "New Journalism". Seine Reportage "Superman kommt in den Supermarkt" steht, so ausschweifend wie subjektiv, am Anfang des Bandes. Norman Mailer hatte im Juli 1960 den Parteitag der Demokraten besucht, an dem sich der junge Kennedy gegen seine Konkurrenten durchsetzte . In seinem Text erklärt Mailer den damals erst 43-jährigen Kennedy zu einer Ruhmgestalt. Er erhebt ihn zu einem Helden, wie ihn Amerika angeblich seit Langem herbeigesehnt hatte.

Insgesamt 300 Fotos erzählen in chronologischer Folge von der fast einjährigen Tournee Kennedys, die schon vor der Bekanntgabe seiner Kandidatur begann, mit den Vorwahlkämpfen in den Bundesstaaten ihren Lauf nahm und mit einem hauchdünnen Sieg endete. Der Mann tingelte durch unendlich viele Dörfer, durch kleine und große Städte. Er suchte offenbar die Nähe zu so gut wie jedem potenziellen Wähler. Die Bilder zeigen ihn, wie er irgendwo auf der Prärie auf Autos oder Stühlen steht und Reden schwingt. Welches Foto könnte besser für eine bewusst inszenierte Nähe zur Bevölkerung stehen als das Bild von Hank Walker, auf dem Kennedy in feinem Zwirn inmitten von kohleverschmierten Bergarbeitern sitzt? Mit großer Beharrlichkeit räumte er die Vorurteile gegenüber seiner Person aus, dass er zu jung für ein solches Amt sei und zu katholisch für ein protestantisches Land.

Immer an seiner Seite stand die Familie, allen voran Robert Francis Kennedy. Ein Foto von Bob Lerner zeigt ihn, wie er während eines Zwischenstopps in West Virginia einen Imbiss auf dem Parkplatz eines Fastfood-Restaurants zu sich nimmt. Und auch das Fernsehen half, den Kennedy-Mythos zu befeuern. Er und sein Rivale, der Republikaner Richard Nixon, waren die ersten, die im Wahlkampf vor laufender Kamera debattierten. Auf dem Foto von Paul Schutzer sind die beiden Politiker beim ersten von vier gemeinsamen TV-Auftritten in einem Studio in Chicago zu sehen. Umfragen ergaben damals, dass die Zuhörer der Radioübertragung Nixon vorne sahen, die Fernsehzuschauer aber Kennedy. Seine Erscheinung trug zu dieser Wirkung bei.

Dass man bei diesen Bildern so gut wie nie hinter die glatte Fassade des Politikers blicken kann, ist kein Einwand gegen das Buch. Schließlich will der Bildband den Aufbau eines politischen Mythos präsentieren - und den enormen Kraftakt, der dafür nötig war.

Norman Mailer: JFK. Superman kommt in den Supermarkt. Verlag Taschen, Köln 2017. 370 Seiten, 99,99, Euro.

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SZ vom 29.05.2017
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