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Jahrestag der Inhaftierung von Ai Weiwei:Protest mit Webcams

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Vier Kameras in der Wohnung: 24 Stunden lässt sich Ai Weiwei über das Internet freiwillig überwachen und gedenkt damit ironisch seiner Inhaftierung vor einem Jahr.

Ein Jahrestag, der zu denken gibt: Am 3. April 2011 war der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei von der chinesischen Regierung festgenommen worden. Genau ein Jahr danach erinnert der Dissident mit ironischem Protest an seine Verhaftung. Mit Hilfe von vier Kameras, die er in seiner Wohnung installiert hat, will sich der Künstler 24 Stunden öffentlich überwachen lassen.

"Was ich mache, seht ihr hier", teilte Ai am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Die Internetadresse http://weiweicam.com, die er auf diesem Weg publik machte, war allerdings schlecht erreichbar.

Vor einem Jahr war Ai Weiwei zunächst ohne Angabe von Gründen auf dem Weg nach Hongkong am Pekinger Flughafen abgeführt worden. Längere Zeit war sein Aufenthaltsort unbekannt. Erst am 15. Mai gab es ein erstes öffentliches Lebenszeichen, als ihn seine Ehefrau Lu Qing für die Dauer von 20 Minuten besuchen durfte.

Ende Juni 2001 kam Ai auf Kaution frei. Während der 50 Vernehmungen in 81 Tagen Haft wurden dem Künstler sechs unterschiedlichen Verbrechen zur Last gelegt, darunter Versuchter Umsturz der Staatsmacht und Verbreitung pornografischer Fotos. Die Behörden werfen Ai zudem Steuerdelikte vor, die er ihren Angaben zufolge auch gestanden haben soll. Der Künstler bestreitet das Geständnis. Zudem betont er, keine Steuervergehen begangen zu haben.

Aufgrund seines politischen Engagements wurde Ai schon in den Jahren davor mehrfach verhaftet. Nach einem schweren Erdbeben in Westchina im Mai 2008 hatte er eigene Untersuchungen zum Einsturz von offensichtlich marode gebauten Schulgebäuden veranlasst. Im Herbst 2010 wurde auf Veranlassung der Behörden sein Atelier in Schanghai geräumt. Er dokumentierte zudem zahlreiche Fälle von anderen Aktivisten.

Hoffnung auf ein Atelier in Berlin

Trotz eines offiziellen Rede- und Publikationsverbots hat Ai wiederholt Menschenrechtsverletzungen angeprangert. "Meinungsfreiheit gehört als Recht zum Wesen des Lebens", schrieb der Künstler auf Twitter.

Am 22. Juni 2012 laufen alle offiziellen Auflagen aus, die Ai für seine Freilassung auf Kaution auferlegt wurden. Dann kann der Aktivist auch Peking wieder verlassen.

In einem ARD-Hörfunk-Interview hatte Ai angekündigt, gerne nach Deutschland kommen zu wollen. "Denn ich habe doch versprochen in Berlin an der Universität der Künste eine Gastprofessur wahrzunehmen". Auch hoffe er immer noch, in Berlin ein zweites Atelier eröffnen zu können. Aber er sei sich nicht sicher, ob dies möglich sein wird.

Gegen Ai und die Designfirma "Fake Cultural Development" läuft ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung in Höhe von umgerechnet 1,6 Millionen Euro. Die Firma ist auf Ais Ehefrau Lu Qing eingetragen. Sein Antrag auf Überprüfung und öffentliche Anhörung wurde von den Behörden in der vergangenen Woche abgelehnt. Für Vorauszahlungen im Zuge des Antrags hatten im November tausende chinesische Bürger und Menschen in aller Welt Ai finanziell unterstützt.

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