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J. K. Rowling schreibt neue Kurzgeschichte:Sie kann Harry Potter nicht loslassen

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PR-Strategie oder Glucken-Gehabe? J. K. Rowling hat eine Kurzgeschichte über den gealterten Harry Potter veröffentlicht. Und die Fans sind einmal mehr begeistert.

Von Marion Neumann

Glucken nennt man die Mütter, die ihre heranwachsenden Kinder einfach nicht gehen lassen wollen. Und selbst erschaffene Romanfiguren sind ja fast so etwas wie eigene Kinder. Von ihnen loszulassen, damit können sich Autoren richtig schwer tun. Jüngstes Beispiel ist J.K. Rowling, die auf ihrer Website eine neue Kurzgeschichte über Harry Potter veröffentlicht hat. Genauer gesagt, über den gealterten Harry Potter, dessen Clique sich nun mit Mitte Dreißig wieder trifft.

Aber es wäre zu einfach, Rowlings Neuauflage nach sieben Jahren nur ihrer engen Bindung zu dem Zauberlehrling zuzuschreiben. So sieht das zumindest Gerhard Lauer, Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Göttingen und Potter-Experte. Aus seiner Sicht ist es unwahrscheinlich, dass es wirklich nur die Vebundenheit mit der magischen Welt ist, die die britische Autorin immer wieder neue Texte und Details zu Harry Potter veröffentlichen lässt: "Rowling ist nicht das Aschenputtel, als das sie sich gerne inszeniert. Sie arbeitet unheimlich professionell."

Deutlich wurde Rowlings Gespür für die richtige PR-Strategie bereits vor einigen Jahren, als die Fans gespannt auf die Fortsetzungen der Potter-Reihe warteten. Als eine der ersten Autoren ließ sie zu, dass ihre Fantasy-Saga durch Fan-Fiction im Internet fortgesetzt wurde. Durch ihre jüngste Publikation beteiligt sie sich nun selbst an den Fortsetzungsgeschichten über die Welt von Harry und Hogwarts. Und die Strategie geht auf: Kurzzeitig soll ihre Website angeblich vor lauter Zugriffen zusammengebrochen sein. Für Gerhard Lauer ist das keine große Überraschung - denn auch die Fans lassen sich immer wieder von der Potter-Euphorie anstecken: "Harry Potter ist immer noch unglaublich lebendig." Will sagen, faszinierend.

Was bei Rowling nun Business sei und was aus ihrem persönlichen Interesse heraus geschehe, sei schwierig zu sagen, so Lauer. "Wahrscheinlich geht es Hand in Hand." Wie wenig die Autorin von Harry Potter und dessen Romanwelt lassen kann, zeigt auch, dass sie immer wieder fiktive Zauberer-Stammbäume spinnt und veröffentlicht. Alles nur PR-Strategie? Oder eben doch das Glucken-Gen?

Obwohl Rowlings Sprecher dies dementierte, ist es für Lauer durchaus denkbar, dass noch weitere Potter-Texte erscheinen werden: "Wenn Rowlings Fans die Fortsetzungen annehmen, glaube ich nicht, dass es bei einer Geschichte bleiben wird. An die Autorin werden enorme Lesererwartungen gestellt." Allerdings ist es für ihn fraglich, ob sich alle Fans mit der gealterten Figur arrangieren können: "Nicht alle wollen einen ergrauten Harry Potter."

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