Süddeutsche Zeitung

"Inglourious Basterds":Nur Nazis können Sprachen

Lesezeit: 2 min

Als Sprachtalent in SS-Uniform spielt Christoph Waltz in "Inglourious Basterds" seine Gegner aus und die Schauspiel-Konkurrenz an die Wand. Doch am Ende siegt ein einsprachiger Tropf.

Jürgen Trabant

Nicht nur in Cannes ist Christoph Waltz für seine Darstellung des SS-Offiziers Hans Landa in Tarantinos Film "Inglourious Basterds" ausgezeichnet worden, sondern jetzt auch mit dem Golden Globe. Diese Figur ist so genial konzipiert und so kongenial von Waltz mit Leben erfüllt worden, dass wohl auch der Oscar folgen wird.

Waltz' Figur jagt eine Gruppe von jüdischen Widerstandskämpfern in französischen Wäldern, die wie Indianer gefangene Deutsche skalpieren. Hinter der Rache-Phantasien steckt jedoch auch ein Film über Sprache, ein Sprachfest, an dem Waltz den größten Anteil hat. Er spielt den diabolischen Nazi mit der leisen Stimme auch deswegen so hinreißend, weil er über eine bewundernswerte Mehrsprachigkeit verfügt.

In der vielsprachigen Originalversion hört man, wie Waltz alias Landa österreichisch, aber eben auch englisch, französisch und schließlich auch noch italienisch spricht - mit einer quasi-muttersprachlichen Bravour, die man nur bewundern kann. Dies macht den Schauspieler sofort zu einem Liebling aller Freunde der Mehrsprachigkeit. Darüber hinaus erweist sich auch in der Dramatik des Films Mehrsprachigkeit als intellektuelle Superiorität von tödlicher Eleganz.

Reklamefilm fürs Sprachenlernen

Wer wie der SS-Offizier mehrere Sprachen beherrscht, behält überlegen das Heft in der Hand: Landa kann mit allen sprechen, vor allem versteht er alle, er kann alle lenken, ja er kann auch in der schlimmsten Klemme (fast) noch seine eigene Haut retten. Der Film ist geradezu ein Reklamefilm fürs Sprachenlernen und für europäische Mehrsprachigkeit. Wer so gut so viele Sprachen kann, ist so cool wie Christoph Waltz alias Hans Landa.

Aber das ist nicht das abschließende Urteil des Films über Mehrsprachigkeit, denn diese wird im Film zur Waffe des Feindes. Die mehrsprachige Superiorität ist des Teufels. Es ist ja der heimtückische SS-Mann, der diese Kunst so meisterhaft beherrscht. Die mehrsprachigen Guten dagegen, die es auch gibt, sind ihrerseits den Nazis sprachlich unterlegen. Diese enttarnen auch noch den fast muttersprachlich Deutsch sprechenden Engländer, dessen doch nicht ganz perfekte Performanz schon Verdacht geweckt hat.

Aber zur Sprachkenntnis - das weiß jeder Geheimdienst, und der kluge Tarantino nutzt das genial für einen dramatischen Coup in seinem Film - gehört eben auch das Beherrschen der richtigen Gebärden: Der ausgezeichnet Deutsch sprechende und eine deutsche Uniform tragende Engländer macht die falsche - eben englische - Gebärde beim Bestellen von Drinks: Die Zahl drei begleitet der falsche Deutsche mit dem Ausstrecken von Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger - statt, wie im Deutschen üblich, mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger.

Die geheime Mission fliegt auf. Noch plumper glaubt Brad Pitt als Aldo Raine, der amerikanisch-indianische Chef der Basterds, sich als Italiener ausgeben zu können: Schon die Aussprache zweier italienischer Wörter misslingt ihm, und als Christoph Waltz ihn mit einer perfekten italienischen Suada überschüttet, auf die er nichts zu antworten weiß, ist er vollends als einsprachiger amerikanischer Tropf überführt. Nur Nazis können eben so richtig gut viele Sprachen.

Amerikanische Einsprachigkeit siegt

Allerdings nützt das ihnen zu allerletzt auch nichts: Am Ende ist dann doch der einsprachige Tropf der Sieger. Das Überlaufen des vielsprachigen SS-Teufels zu den Amerikanern misslingt trotz des fließenden Englisch, das Christoph Waltz hierbei einsetzt. Aldo Raine überwältigt Hans Landa und ritzt ein Hakenkreuz in den mehrsprachigen Nazi-Kopf (Landas Adjutant wird gleich skalpiert).

Amerikanische Einsprachigkeit siegt also zuletzt über europäische Mehrsprachigkeit, die eben letztlich eine Nazi-Mehrsprachigkeit ist. Interessant ist dabei, dass die amerikanische Einsprachigkeit auf dem Opfer einer verschwundenen Sprache beruht: Der einsprachige Amerikaner Aldo the Apache ist auch ein Abkömmling von Indianern, der die autochthone amerikanische Sprache eines Teils seiner Vorfahren ganz offensichtlich schon lange hinter sich gelassen hat und stattdessen - nützlicherweise - nur die Kunst des Skalpierens von ihnen bewahrt hat.

Ein herrlicher, tiefer Film über Sprachen, ein wahres linguistisches Vergnügen durch Christoph Waltz, aber natürlich keine ungetrübt frohe Botschaft für die Freunde europäischer Mehrsprachigkeit. Aber wenn diese dann doch noch den Oscar gewinnt, wollen wir nicht klagen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.68572
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.01.2010
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.