Süddeutsche Zeitung

Im Kino: "Star Trek":Ich bin nicht dein Vater

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Wie alles wurde wie es ist: Kaum ein Film ist im Internet so verbissen kommentiert worden wie dieser - dabei entführt uns der wahnwitzige neue Star-Trek-Film in eine wahrlich neue Dimension.

Fritz Göttler

Man wechselt doch nicht das Pferd mittendrin beim Kentucky Derby, das ist eine der Lebensweisheiten, die in einem der Wortwechsel dieses Films spontan auftauchen. Dass eine urwüchsige amerikanische Institution wie das Kentucky Derby, gegründet 1875, immer noch ein Begriff ist in der intergalaktischen Zukunft des dritten Jahrtausends, wie zum Beispiel auch Budweiser oder rote Cabrios, das gehört zu den schönen Kleinigkeiten, die dieses wahnwitzige Unternehmen des neuen Star-Trek-Films so sympathisch machen. Ein Mythos wird geerdet in diesem Film, verankert in der Wirklichkeit, und wir folgen seinem Helden, dem jungen James Tiberius Kirk, aus den Ebenen von Iowa hinaus in die Weiten des Weltraums.

Gründungsmythen, Erzählungen von den Ursprüngen, Star Trek Origins . . . Ein Wahnwitz ist es in der Tat, einer der großen Kult-Serien der amerikanischen Fernseh- und Kinogeschichte ein Prequel, ihren Helden eine Jugend zu verpassen - darzustellen, wie alles wurde, wie es ist.

Die Enterprise im Bau in der Raumschiffwerft, die Teammitglieder, wie sie einander begegnen und sich zusammenraufen, an der Spitze Captain Kirk und der Halbvulkanier Mr. Spock. J. J. Abrams, der Schöpfer der Kultserien "Alias" und "Lost" und des umstürzlerischen Monsterfilms "Cloverfield", ist ein beherzter Konstruktivist.

Kein echter Trekkie

Sein "Star Trek" ist ikonoklastisch, aber er zeugt von tiefem Respekt für den Mythos. Es ist der Film eines Spätgeborenen, J. J. Abrams gibt offen zu, dass er nie ein echter Trekkie gewesen ist - "Star Wars" war sein Ding, die große Fantasy-Film-Konkurrenz, und George Lucas' Firma Industrial Light & Magic hat auch hier die Effekte besorgt.

Die Position am Rande macht es Abrams leichter, den Glauben an die reine Serie, den die Fans vertreten, zusammenzubringen mit den Action-Erwartungen der Kids heute, das Naive zu durchdringen mit Ironie, sentimental zu sein und smart zugleich. Bislang sind auch alle Leinwand-Treks der Fernseh-Ästhetik treu geblieben, nun endlich findet das Abenteuer epische Breite.

Es hat Begeisterung gegeben über diese neue Dimension, aber auch Verweigerung und Verachtung bei den Fans - kaum ein Film ist im Internet so gründlich und verbissen in seinem Entstehen dokumentiert und kommentiert worden wie dieser.

Als die Serie startete, 1966, ging die optimistische, die liberale Phase in Amerikas Nachkriegsgeschichte schon wieder zu Ende - der Aufbruch in eine offenere Gesellschaft wurde abgewürgt durch die Morde an den Kennedy-Brüdern und an Martin Luther King. Die Völkergemeinschaft steckte mitten im Kalten Krieg. In Europa war die Neue Welle schon wieder abgekühlt, die Zukunft sah eher trostlos aus - 1965 hatte Lemmy Caution einen totalitären Zukunftsstaat zu bekämpfen in Jean-Luc Godards Science-Fiction-Noir "Alphaville". Die lichte, popfarbene, völkerverbindende Vision des Star-Trek-Schöpfers Gene Rodenberry schwebte damals wahrlich im luftleeren Raum.

Der Wilde

Für seine Vorgeschichte geht J. J. Abrams ins amerikanische Herzland. Dort, in Iowa wächst der junge James Tiberius Kirk auf, ein wild one, der mit seinem Sportwagen haarscharf am Abgrund entlangschliddert, in seinen schrägen Posen an James Dean, in seiner ruppigen Art, den Proll herauszukehren, an Marlon Brando erinnert. Der Film überspringt die Sechziger, jene Dekade, als der Mythos kreiert wurde, reaktiviert die amerikanischen Träume der Fünfziger. Das war nicht selten in den Jahren der Bush-Regierung - der neue Star Trek wurde um 2004 konzipiert, jetzt, im ersten Obama-Jahr kommt er in die Kinos.

Die Nachfolgerfrage, die Machtübernahme, das Pferd mitten im Rennen wechseln . . . Der Stuhl, auf dem William Shatner immer so demonstrativ - und so verklemmt - Platz nahm, hatte immer etwas von einem Thron, auch wenn im Zusammenspiel der Crew Kumpelhaftes durchschien. Amerika, die vaterlose Gesellschaft . . . "Der Tod des Vaters wird der Literatur viel von ihrer Lust nehmen", schrieb Roland Barthes in "Die Lust am Text": "Geht denn nicht jede Erzählung auf Ödipus zurück?"

Selbstloses Aufopfern

In "Star Trek" wird der Tod des Vaters gleich zu Beginn spektakulär inszeniert. Bei einer Konfrontation mit einem romulanischen Schlachtschiff muss Tiberius Kirk - der Vater - das Kommando übernehmen, er opfert sich, um die Evakuierung des eigenen Schiffs zu gewährleisten.

Unter den Flüchtenden ist auch seine Frau, in den Wehen, und der Augenblick der Geburt des Sohnes fällt zusammen mit dem Tod des Vaters. Zwölf Minuten Kommandant, achthundert Leben gerettet, so wird das Bild des Vaters überliefert. Die virtuellen, die idealisierten Väter sind am effektivsten in jeder Gesellschaft. Die jungen Akteure - Chris Pine als Kirk, Zachary Quinto als Spock, Karl Urban als Doc McCoy - schlagen sich bravourös mit den TV-Über-Ichs herum, sie entwickeln starkes Eigenleben und lassen doch immer wieder die späteren älteren Herren aufblitzen.

Es sind solche Brüche und Inkonsistenzen, die J. J. Abrams in seinem Œuvre pflegt. In einem von ihm betreuten Heft der Zeitschrift Wired klagt er über den Würgegriff der Unmittelbarkeit heute - dass man auf alles viel zu schnellen und leichten Zugriff hat. Dass man nicht mehr selber Erfahrungen machen darf und muss - und so wahre Kommunikation verfehlt. Zu seinen fünf Lieblingsfilmen zählt Abrams (neben "Star Wars") auch Hitchcocks "Rear Window". Diese Szene, sagt er, wenn Grace Kelly zum ersten Mal James Stewart küsst - das ist vielleicht der beste Spezialeffekt aller Zeiten.

STAR TREK, USA 2009 - Regie: J. J. Abrams. Buch: Roberto Orci, Alex Kurtzman. Kamera: Daniel Mindel. Produktionsdesign: Scott Chambliss. Mit: Chris Pine, Zachary Quinto, Simon Pegg, Karl Urban, John Cho, Zoe Saldana, Eric Bana, Anton Yelchin, Leonard Nimoy, Winona Ryder. Paramount, 127 Min.

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Quelle:
SZ vom 6.5.2009/bey/rus
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