Süddeutsche Zeitung

Im Kino: Mount St. Elias:War halt so

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Wahnwitzige Abfahrten, Unbekümmertheit und die Mythisierung des Berges: Der Dokumentarfilm "Mount St. Elias" feiert seine drei Helden - von denen einer inzwischen bei einer Bergtour ums Leben gekommen ist.

Fritz Göttler

Dies ist ein doppelter Bergfilm, er bewegt sich in beiden Richtungen die steilen Wände entlang, ist bei der Besteigung des Mount St. Elias dabei, wie auch danach bei der halsbrecherischen Abfahrt auf Skiern - Skialpinismus ist der technische Begriff dafür. Und der Extremsportler und -filmer Gerald Salmina nutzt schamlos alle Tricks und Effekte seines Metiers, von irren Totalen, Helmkameras bis zum brutalsten Zeitraffer, um uns die Exaltationen der Höhe zu vermitteln oder die höllische Verzweiflung, wenn nach einem der berüchtigten Wetterwechsel die Besteiger zum Rückzug gezwungen werden und ein Sturm sie in ein Schneeloch drückt - viele Stunden, verbracht mit sisyphosartigem Schaufeln, damit das Eingangsloch nicht verhängnisvoll zuschneit. Da erweisen sie sich als die letzten Stoiker der modernen Gesellschaften - auf derartige Attacken der Natur, auf aufgegebene Pläne und gescheiterte Hoffnungen reagieren sie mit einem simplen "War halt so".

Die location: der Mount St. Elias im Südosten Alaskas, direkt an der Küste, der zweithöchste Berg der USA, 5489 Meter ragt er empor. Eine echte Herausforderung: Beinahe senkrechte Hänge, zahlreiche Gletscherspalten, viel Nebel, und bei schönem Wetter sind viele Stellen nicht passierbar, angesichts einer enormen Lawinengefahr. Den Startpunkt ihrer Unternehmung - Haydon Shoulder - erreichen die Helden nur, indem sie sich mit dem Flugzeug dort absetzen lassen, und es muss sie wieder abholen, sobald der Sturm pausiert.

Manchmal wird einem die Philosophie, die Mythisierung des Bergs und seines Sports, die Axel Naglich, Peter Ressmann (er ist im Frühjahr 2010 bei einer Bergtour tödlich verunglückt) und der Amerikaner Jon Johnston zelebrieren, ein wenig zuviel. Aber die Abfahrten sind immer wieder mitreißend, in ihrer Unbekümmertheit, ihrer Sinnlosigkeit, ihrem Wahnwitz. Und Axel Naglich, der als Architekt arbeitet, weiß genau, was er da tut: "Meiner Meinung nach hat es etwas mit Architektur zu tun. Man hat ein großes Problem, das man in hundert kleine Probleme zerlegt, die man dann nach und nach zu lösen versucht. Aus Projekten wie Alaska kann ich große Befriedigung ziehen, wenn ich endlich auf dem Gipfel stehe und bereit bin zur Abfahrt. Es ist befriedigend, aber ich flippe nicht aus vor lauter Begeisterung. Ich sage immer, es ist die logische Konsequenz aus all den Momenten der Planung, der Organisation und des Trainings. Es ist dasselbe wie in der Architektur." Ein Konstruktivist der Steilwand.

MOUNT ST. ELIAS, Österreich 2009 - Regie, Buch, Kamera: Gerald Salmina. Kamera am Berg: Günther Göberl. Mit: Axel Naglich, Jon Johnston, Peter Ressmann. Kinowelt, 105 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2010
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