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Im Kino: Marcello Marcello:Tausche Frau gegen Schnaps

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Wer übergibt die Braut? Der Vater! Was das Mädchen dabei denkt, ist Nebensache. "Marcello Marcello" ist eine Geschichte voll sommerlich mediterraner Hinterfotzigkeit.

Anke Sterneborg

Wer übergibt die Braut ... Die Antwort auf diese vertraute rhetorische Frage bei der Hochzeit lautet auch in diesem Film von Denis Rabaglia: Der Vater! Und er gibt sie an jenen jungen Mann des (fiktiven) italienischen Inselstädtchens Amatrello, der ihm, am Tage, da seine Tochter achtzehn wird, das schönste Geschenk präsentiert. Die Gefühle des Mädchens sind bei diesem Deal nicht so sehr wichtig - und nicht die vielen unglücklichen Ehen, die daraus entstanden sind. Der Handel als Basis der Gesellschaft und der Gefühle, unzählige soziologische Studien sind dazu verfasst worden, unzählige Filme gedreht.

Die Kunst des Schacherns und des Suggerierens

Auch den mittellosen Fischersohn Marcello erwischt es eines Tages - als Elena, des Bürgermeisters Tochter auf die Insel zurückkommt, kurz vor ihrem achtzehnten. Üppige, den Bürgermeister überwältigernde Geschenke kann er sich nicht leisten, aber was die Kunst des Schacherns und des Suggerierens angeht, den Warentausch mit immateriellen Gütern und Werten, da ist er etwa so genial wie der gute alte Tom Sawyer. Den Bürgermeister nervt zum Beispiel der Hahn des Nachbarn, der ihn jeden Morgen unsanft aus dem Schlaf weckt, und er wäre Marcello gegenüber tatsächlich bereit, das Tier abzugeben, wenn er dafür ...

Bald rennt Marcello rastlos von Haus zu Haus, und aus all den Tauschgeschäften - ein paar Flaschen exzellenten Limoncellos, eine geschichtsträchtige Waffe, zwei nie zur Verwendung gekommene schwesterliche Hochzeitskleider, die der Schneiderin entlockt werden müssen - zeichnet der Film eine Topographie von Liebe und Sehnsucht, Leidenschaft und Verrat. Durch die Reinheit seiner Absichten wird der junge Mann ganz nebenbei zum Therapeuten und Erlöser.

Die britische Herkunft der Romanvorlage von Mark David Hatwood, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, und die deutsch-schweizerischen Wurzeln des Regisseurs Denis Rabaglia ("Azzurro") verleihen der sommerlich mediterranen Hinterfotzigkeit der Geschichte - das ganze spielt im Jahr 1956 - eine angenehme Coolness, machen die italienische Insel zu einer Art Neverland.

MARCELLO MARCELLO, CH/D 2008 - Regie: Denis Rabaglia. Buch: D. Rabaglia, Mark David Hatwood. Nach einem Roman von Mark David Hatwood. Kamera: Filip Zumbrunn. Mit: Francesco Misticelli, Elena Cucci, Alfio Alessi, Luigi Petrazzuolo, Luca Sepe. Senator, 97 Min.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2010
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