Süddeutsche Zeitung

Hollywoodstar als Journalist:Ein geborener Reporter

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Wenn Sean Penn nicht so ein verteufelt guter Schauspieler wäre, hätte er auch als Autor Furore machen können: Er schreibt im "San Francisco Chronicle" über den Iran.

Susan Vahabzadeh

Nun hat er sich einen zweiten Job gesucht, den, wie er findet, in der amerikanischen Presse sonst keiner mehr macht - den des Reporters, der von den Krisenherden der Welt berichtet, ohne schon vorher zu wissen, was er von dem Land und den Menschen, die er kennen lernt, halten wird. Unvoreingenommen berichten, das hatte er im Sinn, als er vor Ausbruch des Irak-Krieges nach Bagdad fuhr - und einen empörten Aufschrei auslöste. Im Juni dieses Jahres, noch vor der dortigen Wahl, hat ihn der San Francisco Chronicle dann nach Teheran geschickt, in dieser Woche erscheinen dort seine Reportagen. Man darf Penn nie unterschätzen, auch wenn er sich außerhalb seines Metiers bewegt - seine letzte Großtat als Regisseur beispielsweise war eine wenig bekannte, aber großartige Dürrenmatt-Adaption.

Instrumentalisieren lässt sich Penn dabei nicht. Er berichtet über Land und Leute, in Folge drei aber war endlich eine Exkursion ins Kino dabei - Penn schreibt über eine Party, die Jeanette Scherpenzeel-Pourkamal, niederländische Kulturattachée in Teheran, für ihn gab: "Auf meine Bitte waren die wichtigsten iranischen Filmemacher und Schauspieler des iranischen Kinos dort eingeladen, namentlich Abbas Kiarostami und Dariush Mehrjui. Obwohl Kiarostami ein internationales Renommé hat, bin ich mit seinen Filmen beschämend wenig vertraut, wie mit denen der anderen Gäste (Ich sollte erwähnen, dass ich auch mit den Filmen von John Ford nicht sehr vertraut bin, ich bin wohl kein Cineast.)

Sean Penn geht seinen eigenen Weg

Wir unterhielten uns ein wenig über die Zensur, mit der iranische Filmemacher klarkommen müssen. Mir wurde erklärt, dass zwar die Regierung die Filme finanziert, aber die Arbeiten vieler dieser Regisseure innerhalb Irans verboten sind. Wenn sie Glück haben, finden sie auf internationalen Festivals einen Verleih. Es ist obligatorisch, jedes Drehbuch vor Produktionsbeginn den Regierungs-Zensoren vorzulegen. Ein junger Filmemacher drehte gerade in Teheran, als wir uns unterhielten, obwohl der Film vorab schon verboten war. Er hatte eine unabhängige Finanzierung gefunden und ging seinen eigenen Weg.

Ich fragte, ob die Regierung am Set interveniere. ,Nicht wirklich', sagte er lachend. ,Die paramilitärischen Truppen haben meine Hauptdarstellerin verprügelt, und sie schießen mir jeden Abend auf dem Heimweg Tränengas ins Auto.' Er grinste. Dies wird als milde Intervention betrachtet."

Cineast hin oder her, es ist das Auge, die Beobachtungsgabe, die Penn auch als Filmemacher auszeichnet, die diese Texte so interessant macht. Man spürt in diesen Texten, dass er innerlich schwer gewappnet war bei dieser Reise: "Obwohl, wie ich schon sagte, Amerikaner mit großer Wärme empfangen werden, darfst du nie vergessen, dass du nur ein Buch auf dem Nachttisch vom Tod entfernt bist. Nur einen Handschlag mit einer Frau vom Gefängnis entfernt." Großartig auch die Beschreibung eines Treffens mit einem Enkel von Chomeini ("there was a lot of Armani going on"), von dessen Ansichten er sich überraschen lässt: "Ich war sehr bewegt, als er von der Toleranz gegenüber anderen Religionen zu sprechen begann. Er sagte: ,Der Sinn verschiedener Religionen ist, einander zu vervollständigen', und dass sie ,deswegen nicht nur toleriert, sondern umarmt werden sollten'."

Dann jedoch ist es schnell vorbei mit der Rührung. Aber die Fähigkeit, sich rühren zu lassen, macht die Stärke von Penns Geschichten aus. Einmal erzählt er von zwei Frauen, die er trifft. "Frauen zählen die Hälfte in diesem Land. Versicherungsprämien sind nur halb so hoch. Auch im Todesfall." Und später: "Ich richte mich nach meinem inneren ethischen Handbuch, und da steht drin, unter ,Fragen, die einem Gentleman schlecht zu Gesicht stehen': Frag niemals zwei Frauen, die du gerade kennen gelernt hast, ob sie lesbisch sind ...Was immer auch die private Wahrheit dieser Frauen ist, ,sexuelle Freiheit' wäre eine schwer durchzusetzende Bewegung, denn sogar diese beiden Begriffe zusammen auszusprechen verstößt gegen die Gesetze der iranischen Republik."

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Quelle:
SZ vom 25.8.2005
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