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Herkunft "entarteter Kunst" geklärt:Doch kein Versteck

Archäologie-Krimi in Berlin: Seit bei Grabungsarbeiten beim Roten Rathaus in Berlin mehrere Stücke sogenannter entarteter Kunst gefunden wurden, versucht eine Forschungsstelle an der Freien Universität herauszufinden, woher sie stammen. Nun haben sie die Lösung des Rätsels gefunden.

Stephan Speicher

Im Herbst 2010 war von einem überraschenden Fund in Berlin zu berichten. Bei Ausgrabungen vor dem Roten Rathaus hatten Archäologen elf Skulpturen der klassischen Moderne im Kellerschutt des im Jahr 1944 ausgebrannten Hauses Königstraße 50 gefunden. Acht Werke konnten identifiziert werden, sie alle waren nach 1933 als "entartete Kunst" klassifiziert und beschlagnahmt worden. Aber wie waren sie an diesen Ort gekommen?

Inzwischen wurden weitere Skulpturen gefunden und mit Hilfe der Forschungsstelle "Entartete Kunst" an der Freien Universität identifiziert: Werke von Karl Ehlers, Karel Niestrath, Will Lammert, Gustav Heinrich Wolff, Richard Halzmann, Milly Steger und Fritz Wrampe.

Auch diesmal wird man nicht von ästhetischen Sensationen sprechen. Das tun auch die Staatlichen Museen nicht, die alle 16 Werke noch für einige Tage in Neuen Museum zeigen. Aber die Fundumstände haben sich geklärt. Eine erste Vermutung hatte sich 2010 an die Person des Wirtschaftstreuhänders Erhard Oewerdieck geknüpft, der in der früheren Königstraße 50 sein Büro hatte. Von Oewerdieck war bekannt, dass er Verfolgten geholfen hatte; ihm war zuzutrauen, als "entartet" bezeichnete Werke vor der Zerstörung schützen zu wollen. Das aber ließ sich nicht erhärten.

Stattdessen fand sich ein Brief aus dem Jahr 1942, in dem die Reichspropagandaleitung der NSDAP aufgefordert wird, die Exponate der Ausstellung "Entartete Kunst" zurück in die Obhut des Reichspropagandaministeriums zu geben, und zwar in den Lagerraum Königstraße 50.

Die Frage, wie die verfemten Werke dorthin gelangten, ist damit befriedigend, wenn auch unspektakulär gelöst. Die 16 Werke werden bis Ende der Woche noch im Neuen Museum Berlin gezeigt, vom 22. April bis 1. Juli im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und dann vom 24. Oktober 2012 bis 13. Januar 2013 in München in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2012/mapo
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