Süddeutsche Zeitung

Großformat:Näher als wir denken

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Uli Hanisch ist Deutschlands führender Filmarchitekt. Mit dem Entwurf der Filmstadt "Babylon Berlin" in Babelsberg begann er sein bisher größtes Werk.

Von Tobias Kniebe

Bevor es in die Details der Entwürfe geht, muss erst einmal das Offensichtliche gesagt werden. "Für jeden Szenenbildner ist es ein Lebenstraum, eine derart gigantische Außenkulisse zu realisieren", erklärt Uli Hanisch. Der 1967 in Nürnberg geborene Filmarchitekt ist der Schöpfer und zusammen mit Daniel Chour auch der Baumeister der "Neuen Berliner Straße" vor den Toren Berlins, erbaut für das Studio Babelsberg, das diese Investition mit 16 Millionen Euro beziffert.

In seiner Karriere hat Hanisch schon Filme wie "Das Wunder von Bern", "Das Parfum", "Anonyma", "The International" oder "Ein Hologramm für den König" als Szenenbildner beziehungsweise Production Designer gestaltet, aber diese Dimension ist selbst für ihn neu: Ein gigantisches Set mit 54 Hausfassaden und vier Straßenzügen auf 15 000 Quadratmetern. Geschaffen für die Fernsehserie "Babylon Berlin", deren Dreharbeiten momentan laufen.

"Es ging darum, das Berlin des Jahres 1929 darzustellen, als Ort, als Sittenbild, als Klassensystem, vier Stadtteile verdichtet auf einem Set", sagt Hanisch. Dafür musste clever gebaut, aber auch viel im Computer berechnet werden. In der große Skizze aus Hanischs Feder, die Gebäude aus dem Charlottenburg-Teil der Kulisse zeigt, markiert der mit "Greenscreen" farbig gekennzeichnete Bereich den Ort, wo später die Computergrafik eingefügt wird. Die höheren Stockwerke der Häuser, der Horizont in der Ferne - das alles existiert nur digital, sozusagen als virtuelle Fortsetzung des Sets.

"Was wir da entworfen haben, ist kein musealer Blick auf Berlin", sagt Hanisch. "Es ging darum, eine visuelle Verbindung zur Gegenwart zu schaffen. Die Stadt als Hexenkessel, wilder und krasser und uns viel näher, als wir vielleicht denken." Das ist auch die Grundidee der Serie "Babylon Berlin", die auf den Kriminalromanen von Volker Kutscher basiert und von den Filmemachern Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries konzipiert und inszeniert wird.

Tykwers Firma X-Filme produziert zusammen mit ARD Degeto, Sky und Beta Film, gleich zwei Staffeln mit jeweils acht Folgen werden gedreht. Uli Hanisch, der auch schon für Christoph Schlingensief und Helge Schneider gearbeitet hat, kam durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Tom Tykwer zu dem Großprojekt. Seit "Winterschläfer" im Jahr 1997 hat Tykwer fast immer auf ihn vertraut, wenn es um die Realisierung seiner Visionen ging. "Wir kennen uns jetzt so lange, das wir uns fast schon ohne Worte verstehen", sagt Hanisch.

Zuletzt verrät er noch eine Anekdote, die von Ken Adam handelt, dem legendären, im März verstorbenen Filmarchitekten der elegantesten Bond-Filme. Dessen Vater Fritz Adam, ein jüdischer Berliner Warenhausmogul, musste 1934 vor den Nationalsozialisten nach London fliehen. Zurück blieben die Entwürfe für einen neuen Einkaufstempel, den Fritz Adam nicht mehr bauen konnte. Auch in "Babylon Berlin" spielt ein Kaufhaus eine wichtige Rolle - was Hanisch auf die Idee für eine kleine Hommage brachte. Er ließ sich von den alten Entwürfen inspirieren, siehe das kleine Bild, ein Rendering aus dem Computer. Sein fiktives Kaufhaus heißt jetzt "Adam & Söhne".

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Quelle:
SZ vom 25.06.2016
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