Süddeutsche Zeitung

Großformat:Die Farbe vor der Farbe

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Als Fritz Lang 1921 "Der müde Tod" drehte, ließ er die Bilder einfärben. Überlebt hat der Film nur in Schwarzweiß. Nun wird er in alter Pracht rekonstruiert.

Von Susan Vahabzadeh

Fast alle spektakulären Stummfilm-Restaurierungen der letzten Jahre wurden von Anke Wilkening gemacht, sie ist die Restauratorin der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, die große Teile des deutschen Filmerbes verwaltet. Zur Zeit arbeitet Anke Wilkening an der Rekonstruktion von Fritz Langs "Der müde Tod" (1921). Darin versucht eine junge Frau - Lil Dagover -, ihren Mann zurückzubekommen, den sich der Tod geholt hat. Ein Märchenstück, die Frau dringt vor in sein Reich, soll ein Leben retten, um den Gatten zurückzubekommen. Das misslingt, nun soll sie eine Seele im Tausch bringen und weil niemand sich dafür hergibt, will sie am Ende ein kleines Kind in einem brennenden Haus seinem Schicksal überlassen.

Man kennt diesen Film heute nur in Schwarzweiß, als er 1921 herauskam, war er aber - farbig. Das Kolorieren der Bilder war damals Mode. Die älteste Kopie, die von "Der müde Tod" existiert, ist aber aus den Dreißigern. Da war das Färben der Bilder, ein teurer, aufwendiger Prozess, schon nicht mehr üblich. Wilkening benutzte als Grundlage ein Dup-Negativ, das dem Museum of Modern Art in New York gehört. Dennoch ist die Restaurierung aufwendig (Hauptsponsor für das Projekt der Murnau-Stiftung ist der Medienkonzern Bertelsmann, Förderung gab es von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur, ZDF/Arte ist Partner für die Musik, Scan und digitale Bildrestaurierung macht L'Immagine Ritrovata in Bologna). Zu dem Material, das Wilkening in "Der müde Tod" wieder eingefügt hat, gehören zwei verloren gegangene Verse in den Zwischentiteln, sie schlummerten Jahrzehnte in einer Kopie des Národní filmový archiv in Prag.

Wie könnte "Der müde Tod" ausgesehen haben? Das Farbkonzept, das Anke Wilkening nun verwendet hat, orientiert sich an Filmen, von denen noch eingefärbte Kopien erhalten sind, Langs "Die Spinnen" beispielsweise, und "Der Richter von Zalamea" (1920) von Ludwig Berger. Es ist eine Wiedererschaffung der Farben, sagt Anke Wilkening, das Feuer am Ende war sicher rot - aber für manche Szenen, im Totenreich beispielsweise, gibt es keine anderen Filme aus der Zeit, auf die sie sich beziehen könnte.

Dafür gibt sie manchen Szenen ihren Sinn zurück: "Es war in der Schwarzweiß-Fassung immer merkwürdig, dass es Nachtszenen gibt, die aussehen, als wäre es Tag. Das Feuer ist bei Nacht gedreht, die Löschenden aber im Tageslicht - weil es damals unmöglich gewesen wäre, eine solche Szene im Dunkeln auszuleuchten." In einer eingefärbten Fassung aber spielt das keine Rolle mehr. Das ist zwar für die Handlung nicht so wichtig, wie es die wiedergefundenen Szenen sind in Wilkenings Restaurierung von Langs "Metropolis", nur: Der vermeintliche Schnitzer mit dem Tageslicht war gar keiner. In Langs Filmen gibt es eben weniger Patzer als in manchem Blockbuster von heute.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2015
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