Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Regisseur Angelopoulos stirbt nach Verkehrsunfall

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Griechenland verliert einen seiner bedeutendsten Künstler: Der vielfach ausgezeichnete Filmregisseur Theo Angelopoulos wurde am Dienstagabend von einem Motorrad angefahren und erlag kurz darauf im Krankenhaus seinen Verletzungen. Er wurde 76 Jahre alt.

Der griechische Filmregisseur Theodoros "Theo" Angelopoulos ist am Dienstagabend bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Während der Dreharbeiten an seinem Film Das andere Meer in Piräus wurde der 76-Jährige kurz nach 19 Uhr beim Überqueren der Straße von einem Motorrad erfasst und fiel nach dem Aufprall in einen vier Meter tiefen Schacht. Nach Angaben eines Krankenhaussprechers wurde er schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, wo er am späten Abend einer Gehirnblutung erlag.

Angelopoulos zählte seit Mitte der 1970er Jahre zu den bedeutendsten Regisseuren Europas. In seinen Filmen setzte sich Angelopoulos, der am 27. April 1935 in Athen geboren wurde, immer wieder mit der Geschichte und Gegenwart Griechenlands und des Balkans auseinander. Zu seinen wichtigsten Filmen gehören Die Wanderschauspieler (1975), Die Reise nach Kythera (1984) und Der Blick des Odysseus (1995).

Als Meister des poetischen Realismus mit melancholischem Grundton prägte er das anspruchsvolle, sozial engagierte Kino und wurde bei den drei wichtigsten internationalen Filmfestivals in Berlin, Cannes und Venedig mit Preisen ausgezeichnet.

Angelopoulos galt für viele Griechen als der "Blick Griechenlands". Er konnte in seinen Filmen die jüngste Geschichte seines Landes mit einer eigenartigen Atmosphäre und von seinem unverkennbaren Blickwinkel aus wiedergeben.

"Theo", wie viele seiner Freunde ihn nannten, bezeichnete seine Filme als eine Art Dichtung: "Ich erwarte nicht von Dir, dass Du das verstehst was ich mit meinen Filmen meine. Ich erwarte von Dir, dass Du das verstehst, was Deine Seele aus diesen Filmen versteht. Es ist eben wie Dichtung", sagte er immer wieder.

Geprägt durch die Kriegsjahre

Geprägt war Angelopoulos von den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges. Als er sechs Jahre alt war, wurde Griechenland von den Achsen-Mächten besetzt. Es folgte ein Bürgerkrieg, dessen politisch-gesellschaftliche Folgen sein Leben und das Leben von Millionen Griechen verändern sollte.

Angelopoulos begann sich für das Kino zu begeistern. Das Medium habe ihm damals einen Ausweg aus der Misere eröffnet. Nach einem nicht abgeschlossenen Jurastudium wanderte er nach Frankreich aus. 1964 kehrte er nach Griechenland zurück.

Anerkennung als Regisseur erntete er schließlich in den siebziger Jahren, als er sich in drei Filmen mit der jüngsten und schmerzhaften Geschichte seines Landes auseinandersetzte. Für einen davon, Alexander der Große, bekam er 1980 bei den Filmfestspielen in Venedig den Fipresci-Preis der internationalen Kritiker. Für Landschaft im Nebel erhielt er 1988 den Silbernen Löwen.

Bekannt sind auch seine Streifen Der Bienenzüchter und Reise nach Kythera. In den neunziger Jahren ging es auch um Themen wie Migration. Dabei kamen Filme wie Der schwebende Schritt des Storches heraus, in denen er sich mit dem Zerfall des Sozialismus auseinandersetzte.

Triumph in Cannes

Für Blick des Odysseus, der für viele Griechen und Angelopoulos selbst wohl als sein bestes Werk gilt, bekam er 1995 in Cannes den Großen Preis der Jury - nicht aber die Goldene Palme. Er zeigte sich damals schwer enttäuscht und verkündete beleidigt: "Wenn das alles ist, was Sie für mich haben, habe ich nichts zu sagen."

Angelopoulos nahm jedoch einen neuen Anlauf. 1998 bekam er endlich die Goldene Palme: für den Film Die Ewigkeit und ein Tag mit Bruno Ganz und Isabelle Renauld.

Die Zuschauer mussten sich immer Mühe geben, Angelopoulos zu verstehen. Seine Charaktere waren schwierig und undurchsichtig, in der Regel tragisch: Rückkehrer aus dem Exil, Regisseure ohne Inspiration, sterbende Schriftsteller. Angelopoulos machte es dem Zuschauer nicht leicht: "Ich mache Filme für mich - nicht für die anderen", sagte er immer wieder.

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