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Gladiatorenkämpfe: Von der Leichenfeier zum Spektakel:Vorzeitiger Tod immer inbegriffen

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Das Antikenmuseum in Basel zeigt eine elegant inszenierte Schau über Gladiatoren im alten Rom. Schon in der Ilias wurden sie erwähnt - allerdings opferte Homer da zwölf junge Sklaven zu Ehren seines verstorbenen Freundes Patroklos.

Von Harald Eggebrecht

Es muss ein ungeheuer erregender Augenblick sein für die Protagonisten ebenso wie für ihr Publikum, wenn die Athleten aus dem Dunkel der Katakomben ins helle Licht der Arena treten, hinaus in das aufbrandende Beifallstosen im vollbesetzten Riesenoval. Erst recht, wenn ein Kampf auf Leben und Tod mit scharfen Waffen bevorsteht. Selbst im dürftigsten Sandalenfilm gehört diese Sequenz, wenn der Held vom Dunkel ins Helle schreitet, zu den heiligen Notwendigkeiten. Bei großen Historienfilmen - wie etwa "Quo Vadis", "Ben Hur" oder dem titelgebenden "Gladiator" - lässt dieser Moment niemanden unbeeindruckt. Auch nicht jene zugespitzte Situation, wenn der Kaiser, umschäumt vom Gebrüll des Publikums, den Daumen hebt oder senkt zum Zeichen über Leben und Tod eines unterlegenen Kämpfers.

Doch der martialische Zweikampf war nicht einfach blutrünstige Volksbelustigung, sondern wurde nach genauen Regeln ausgefochten und hatte einen festlich-rituellen Hintergrund. Alle alten Kulturen, ob in Afrika, Asien, Europa oder Amerika, opferten ihren Göttern Blut, indem sie Tiere schlachteten oder als höchste Stufe der Verehrung auch Menschen töteten oder wenigstens Menschenblut, oft ihr eigenes, kultisch vergossen. Was wir heute als grausam und erschreckend empfinden, galt damals als allerheiligste Handlung. Auch der zu Ehren der Götter angesetzte Zweikampf mit scharfen Waffen oder bei altamerikanischen Kulturen das rituelle Ballspiel, bei dem der Verlierer dem Opfertode geweiht war, gehören zu diesen feierlichen Kulthandlungen.

Die antiken Wettkämpfe wurden zunächst als Leichenfeiern veranstaltet

In der "Ilias" schildert Homer, wie Achill bei den Leichenfeiern zu Ehren seines toten Freundes Patroklos nicht nur zwölf junge Troer opfert, sondern neben sportlichen Wettkämpfen auch einen Zweikampf der Besten auslobt: "Lasst zwei Männer sich hier um Preise, die tüchtigsten Kämpfer, wohlgerüstet, das leibzerreißende Erz in den Händen, gegeneinander versuchen im Streit vor versammeltem Heere." Der große Aias und Diomedes treten gegeneinander an: "Wer dann eher den blühenden Leib des Gegners getroffen/ Bis in die Eingeweide durchs schwärzliche Blut und die Rüstung / Dem gewähr' ich als Lohn das Schwert voll silberner Buckeln", verspricht Achill.

Dergleichen fand auch im alten Rom der republikanischen Zeit bei wichtigen Leichenfeiern statt. Es war die Geburtsstunde für die späteren Gladiatorenkämpfe. Früheste Darstellungen solcher Ehrenkämpfe kann man schon in Grabmalereien des 4. Jahrhunderts vor Christus aus Paestum sehen, bei denen Blut fließt. In Süditalien wird daher auch der Ursprung des Ganzen vermutet. Waren es bei Sepulkralfeiern im republikanischen Rom anfangs nur ein oder zwei Duelle, wurden daraus Veranstaltungen, die sich bald von Leichenfeiern abhoben und ein Eigenleben gewannen, bei dem sich die Zahl der Zweikämpfe enorm steigerte. Solche Feste mit Kämpfen dauerten über Tage. Aus dem bewaffneten Wettstreit zu Ehren eines Toten wurden Schaukämpfe zur Unterhaltung, die durchaus kostspielig waren und von Mächtigen wie Cäsar zur Steigerung der eigenen Popularität und Bedeutung genutzt wurden.

Die mit Leihgaben vor allem aus Pompeji reich ausgestattete, elegant inszenierte Ausstellung im Baseler Antikenmuseum führt treppabwärts ins Kellergeschoss, in dessen Raumfolge nun der Weg der Gladiatoren von den Ausbildungsschulen bis hin zum spektakulären Auftritt in der Arena nachzuerleben ist, ganz im Sinne von Plinius dem Jüngeren, der um 100 nach Christus die Faszination der Kämpfe beschrieben hat: "Nun wurden der Schaulust Spiele geboten! Doch nicht solche erschlaffender Wirkung, geeignet, die Energien der Männer zu schwächen und zu brechen, sondern Spiele, die dazu anspornten, ehrenvolle Wunden zu empfangen und den Tod zu verachten, weil man sogar an kämpfenden Sklaven und Verbrechern den Drang zum Ruhm und das Verlangen nach Sieg beobachten konnte."

In republikanischer Zeit traten Kämpfer unterlegener Völker gegeneinander an, etwa Samniten gegen Samniten oder Gallier gegen Gallier. Doch mit der Kaiserzeit war das Duell längst zum Spektakel jenseits der ursprünglich kultischen Anlässe professionalisiert worden. Daher entwickelte sich der Gladiator zum ausgebildeten Kampfspezialisten, und die Gladiatur zu einer Tätigkeit, zu der man sich auch freiwillig melden und dann auf bestimmte Zeit verpflichten konnte, vorzeitiger Tod immer inbegriffen. Dabei wurde die Ebenbürtigkeit der Kämpfer bei gleichzeitig höchst verschiedener Bewaffnung sichergestellt. Keineswegs hat also das Duell der Gladiatoren etwas mit sinnlosem Gemetzel zu tun. Wer tapfer und furchtlos kämpfte, konnte auch als Verlierer oft lebend die Arena verlassen, weil er sich Sympathien beim Publikum errungen hatte. Dass Gladiatoren, die ja oft in der gleichen Schule ausgebildet wurden, sich wohl auch abgesprochen haben, ist klar.

Der Provocator mit großem Rechteckschild, Arm- und Brustschutz, kleiner Beinschiene und geradem Kurzschwert traf stets auf seinesgleichen. Der ähnlich ausgestattete Murmillo kämpfte gegen den Hoplomachus, der mit Lanze und Dolch angriff, sonst einen kleinen Rundschild, zwei große Beinschienen, Armschutz und Helm mit Kamm trug. Ein anderer Gegner des Murmillo war der Thraex, der Thraker, mit kurzem Krummschwert, kleinem viereckigem Schild, großen Beinschienen, Helm und Armschutz. Zum berühmtesten und raffiniertesten Gladiator wurde der Retiarius mit Fangnetz, Dreizack und Dolch für den Nahkampf. Er trug keinen Helm, hatte nur eine hochragende Schulterplatte gegen seitliche Schläge und Armschutz. Seine Spezialgegner waren der Secutor mit Kurzschwert, großem rechteckigen Schild, Helm, Armschutz und einer kleinen Beinschiene; und der andere Gegner der Arbelas, der neben Kurzschwert noch eine wiegenförmige Klinge zum Netzzerschneiden einsetzen konnte. Der Helm war glatt, damit das Netz nicht hängen blieb und hatte nur zwei Augenlöcher wegen des gefürchteten Dreizacks. Sonst schützten ihn Schuppenpanzer und kleine Beinschienen.

Gladiatoren gaben den "Männern ihre Seelen", den Frauen sogar "ihre Leiber preis"

Die Helme, gefunden in Pompeji, sind bis auf den des Arbelas prachtvoll mit Figuren verziert, ebenso die Beinschienen und auch mancher Schild. Die Gittervisiere machten das Atmen schwer, bewahrten aber vor schlimmen Gesichtsverletzungen. Die Zuschauer nahmen nicht so sehr ein Individuum, sondern viel mehr den jeweiligen Kämpfer in seiner typischen Ausrüstung wahr.

Die kamen aus den untersten Schichten, wurden in ihrer Rechtlosigkeit zwar als Menschen zweiter Klasse angesehen, zugleich aber als Gladiatoren gefeiert, berühmt und oft als erotische Lustobjekte von Frauen der Oberschicht benutzt, wie Tertullian im 2. Jahrhundert nach Christus kopfschüttelnd kommentiert: "Gladiatoren, welchen die Männer ihre Seelen, die Weiber auch noch sogar ihre Leiber preisgeben, die schätzt man gering, und setzt sie herab wegen derselben Kunst, weshalb man sie hochhält. Welche Verkehrtheit!"

Der Parcours führt an Kampfszenen vorbei, die das herrliche Mosaik aus der Römerstadt Augusta Raurica zeigt, an Wandmalereien mit entscheidenden Arenasituationen aus Pompeji. Auch das Wandbild mit den Krawallen um das pompejanische Amphitheater belegt, wie sehr die Veranstaltungen auch an heutige Stadionereignisse erinnern können. Schließlich, bevor man wieder in die Basler Alltagsgegenwart emporsteigt, fällt der Blick auf Gladiatorengebeine, die im englischen York gefunden wurden. Vor allem an Armen und Beinen wurden diverse Kampfspuren festgestellt. Die Grabsteine der großen Kämpfer aber wirken in ihren Inschriften bei aller Trauer, nicht mehr zu leben, dennoch stolz.

Gladiator - die wahre Geschichte. Antikenmuseum Basel. Bis 22. März. www.antikenmuseumbasel.ch. Der Katalog ist kostenlos.

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SZ vom 14.01.2020
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