Süddeutsche Zeitung

Antisemitismus:Zweifel im Fall Ofarim

Gäste im Leipziger Westin Hotel wollen keine Beleidigungen gehört haben.

Von SZ

Ein Gutachten zum Geschehen am Abend des 4. Oktobers im Leipziger Westin-Hotel mehrt die Zweifel an der Darstellung des Musikers Gil Ofarim: Laut dem Abschlussbericht der von der Hotelleitung mit einer Untersuchung beauftragten Anwaltskanzlei, den Die Zeit einsehen konnte, hat keiner der befragten Zeugen bestätigt, antisemitische Beleidigungen gegen Ofarim wahrgenommen zu haben. Der 39-Jährige habe sich vielmehr wegen der Warteschlangen vor der unterbesetzten Rezeption beschwert, als andere Gäste zum Einchecken vorgezogen wurden - und soll gedroht haben, bei Instagram ein Video hochzuladen, das "viral gehen" werde.

Ein solches Video nahm Ofarim tatsächlich auf, das noch am selben Abend und in den folgenden Tagen Solidaritätsadressen auslöste: Auf dem Gehsteig vor dem Hotel hatte Ofarim den Tränen nahe geschildert, dass ein Hotelmitarbeiter ihn nur dann habe bedienen wollen, wenn er seine Kette mit Davidstern "wegpacke". Laut Zeit sei dem 118-seitigen Untersuchungsbericht aber zu entnehmen, dass die Kette beim Streit in der Hotellobby keine Rolle spielte. Ofarim selbst wollte sich zu dem Bericht nicht äußern, die Staatsanwaltschaft Leipzig, der zwei Anzeigen Ofarims und eine des Hotelmitarbeiters wegen Verleumdung vorliegen, muss noch Gutachten zu Überwachungsvideos auswerten.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, berichtet, dass im Nachgang des Vorfalls eine Vielzahl antisemitischer Nachrichten über seinen Verband "hereingebrochen" sei. Die Skepsis, die von vielen Seiten bezüglich der Geschehnisse geäußert werde, dürfe jedoch nicht zu mehr Antisemitismus führen. Betroffene dürften "nicht das Gefühl bekommen, dass sie die Vorfälle nicht melden können und allein gelassen werden".

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