Süddeutsche Zeitung

Fotografie:Brückenschlag der Katastrophen

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Als am Bosporus die Panzer anrollten, wurde gerade der Opfer des Terroranschlags von Nizza gedacht.

Von Alex Rühle

Zwei Katastrophen in einem Bild: Dieses Foto stammt aus der Nacht von vergangenem Freitag. Es zeigt die Bosporusbrücke in Istanbul in den Farben der französischen Trikolore. Am Abend zuvor war ein Mann in Nizza absichtlich mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gefahren. Bei dem Anschlag starben 84 Menschen, mehrere Hundert wurden verletzt. Die Beleuchtung im fernen Istanbul war eine so symbolische wie fotogene Solidaritätsbekundung. Am frühen Freitagabend schickten die Agenturen noch pittoreske Versionen dieses Motivs. Da sah man Bosporusboote und Feierabendverkehr in blau-weiß-rotem Lichterschein. Von Mitternacht an aber wurde die Beleuchtung zum surrealen Hintergrund für den blutigen Putschversuch, der für die Welt erstmals sichtbar wurde, als Truppen die Brücke sperrten ( Foto: AFP). So wirkt dieses Bild im Nachhinein wie eine Doppelbelichtung und wie ein Kommentar zu diesem düsteren Sommer. Der eine Schrecken ist noch gar nicht verarbeitet, da kommt schon der nächste. Am 28. Juni kamen 45 Menschen bei einem Angriff auf den Atatürk-Flughafen in Istanbul ums Leben. Wenige Tage später erlebte Bagdad mit 300 Toten einen der blutigsten Anschläge seiner Geschichte. Am 6. Juli überträgt Diamond Reynolds in Minneapolis live bei Facebook, wie ihr Lebensgefährte Philando Castile auf dem Fahrersitz neben ihr von einem Polizisten bei einer Routinekontrolle angeschossen wird und verblutet, während die gemeinsame vierjährige Tochter auf dem Rücksitz zuschaut. Am nächsten Tag verschanzt sich der Afghanistan-Veteran Micah Xavier Johnson in Dallas in einem Parkhaus und erschießt fünf Polizisten.

Geiselnahme in Dhaka, Massaker von Orlando, Anschlagsserie in Saudi-Arabien - "Breaking: World" wurde zu einem viel zitierten anonymen Kommentar im Netz. Ein Wortspiel das man übersetzen kann mit: "Eilnachricht: die Welt". Oder auch so: "Es zerbricht: die Welt".

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Quelle:
SZ vom 19.07.2016
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