Süddeutsche Zeitung

Fotografie:Allein in Londons Straßen

Nicholas Goodden fängt in seinen Bildern Menschen ein, die die Stadt um sich herum vergessen. Sie zeigen, dass Einsamkeit und Alleinsein nicht immer dasselbe sind.

Von Carolin Gasteiger

Ob diese Dame einsam ist? Was sie wohl macht, nachdem sie sich in einem Fastfood-Restaurant Kaffee geholt hat? Fragen wie diese beschäftigen den Londoner Fotografen Nicholas Goodden, wenn er durch die britische Hauptstadt zieht.

Auf seinen Bildern sind Menschen zu sehen, die allein und scheinbar ziellos durch die Straßen wandern. Vor allem ältere Leute so einsam zu sehen, störe und beunruhige ihn, sagte der britische Fotograf dem Guardian: "Niemand will alleine sterben."

Dabei ist nicht jeder Einsame unglücklich. "Man kann allein sein wollen, ohne gern einsam zu sein" - wie dieser Student in der Bibliothek von Kentish Town. Goodden war von der friedlichen Ruhe gepackt, die der Mann ausstrahlt. Sie sei in Großstädten selten.

Der Fotograf lebt und arbeitet in London, ohne die Stadt auf seinen Bildern bewusst zeigen zu wollen. Eher interessieren ihn Momentaufnahmen, Alltagssituationen. Im Londoner East End schläft diese alte Lady vor einem Coffee Shop. Goodden fiel erst im Nachhinein auf, was auf ihrer Mütze steht - und er musste schmunzeln.

Aber Goodden fotografiert nicht nur Menschen, um Alleinsein in London zu zeigen. Auch diese kaputte Löwenstatue im Stadtteil Shoreditch, der nicht gerade für seine Grandezza bekannt ist, zählt zu seinen Motiven. Anstatt erhaben und majestätisch auf einem Sockel zu thronen, liegt der Marmorlöwe mit abgebrochenen Beinen da.

Wenn er besondere Momente fotografiere, sei das für ihn wie Tagebuchführen, schreibt Goodden auf seiner Homepage. Auch der besondere Look dieser Lady in Camden zog die Aufmerksamkeit des Fotografen auf sich. Obwohl, wie er sagt, außergewöhnliche Outfits in Großstädten oft in der Menge untergingen.

Gooddens Bilder sind unaufdringlich und fangen doch besondere Momente ein. Sie wirken wie Schnappschüsse, die ihm bei einem Spaziergang durch London untergekommen sind. Das gilt auch für diese Aufnahme eines Mannes im kürzlich eröffneten neuen Flügel der Tate Modern.

Auch dieses Bild entstand in der Tate Modern. Es lebt vom besonderen Lichteinfall und dem einen Menschen, der allein inmitten des Lichts steht.

Manche der eingefangenen Momente bergen ungewollte Komik: Als würde die Dame tatsächlich über die Frage auf dem Werbeplakat im Hintergrund nachdenken. Ob sie wohl dieses Wochenende zum Abendessen ausgeht?

Wenn schon allein, dann wenigstens in grellen Farben, dachte sich Goodden wohl bei dieser Aufnahme.

Ein Mann sitzt gedankenverloren vor einem Pub in Camden und scheint den Trubel um sich herum zu vergessen. Goodden geht es ähnlich: Er suche immer wieder nach kurzen Auszeiten, Augenblicken des Alleinseins. In diesen Momenten fühle er sich den Menschen, die er fotografiert, besonders nah.

Goodden beobachtet Szenen, die anderen gar nicht weiter auffallen. Szenen wie diese, in der ein kleines Mädchen vor drei Telefonzellen herumläuft - und zeigt, dass Alleinsein und Einsamkeit nicht dasselbe sind.

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