Süddeutsche Zeitung

Fotoband "Lisl Baby":Als Louis Armstrong einen Korb bekam

Die 88-jährige Lisl Steiner zeigt in ihrer Retrospektive, wie nahe sie als Fotografin Prominenten kam. Manche wollten mehr.

Von Carolin Gasteiger

Louis Armstrong geht hier gerade ein intimes Tête-à-tête durch die Lappen. So schildert Lisl Steiner den Moment, als sie den weltberühmten Jazztrompeter 1959 in Buenos Aires fotografiert hat. Und zwar nachdem er ihr verkündet hatte: "Ich möchte gerne mit dir schlafen." Steiner fand das wenig prickelnd und fotografierte lieber Armstrongs verblüfften Gesichtsausdruck nach ihrer Absage.

Zu dieser Aufnahme von Leonard Bernstein, die 1963 in einem Kino entstand, sagt die Fotografin: "Aber hier, (...), fand ich, dass er nicht wie ein ungewöhnlicher Musiker aussieht, sondern eher wie ein ganz gewöhnlicher Zuhälter." Mit "Lisl Baby" hat die 88-Jährige ihre Retrospektive veröffentlicht. In der finden sich neben intimen Porträts berühmter Menschen auch Aufnahmen von Kindern, Skizzen, Zeichnungen und ganz persönliche Fotos der in Wien geborenen Fotografin, deren Beziehung zu Männern eine ganz besondere war.

Martin Luther King konnte sie beim Parteitag der Demokraten 1968 in Miami Beach porträtieren. In dem Moment, kurz bevor er eine Rede hielt, hatte Steiner das Gefühl, er habe sie angeschaut, als würde er mit ihr flirten wollen, schreibt sie in dem Bildband. Man könnte auch meinen, er habe einfach durch sie hindurchgeschaut.

Komisch eigentlich, dass Lisl Steiner nicht auch von Franz Beckenbauer behauptet, er habe mit ihr ins Bett gehen wollen. Im Gegenteil. Der "Kaiser" habe sie 1976 gar nicht bemerkt, als er sich mit Henry Kissinger in New York unterhielt. Die Fotografin war eigenen Angaben zufolge die erste Frau, die in eine Fußball-Umkleidekabine durfte. Lange Zeit vor Kanzlerin Merkel.

Es ist eindrücklich, wie nahe Steiner mächtigen Persönlichkeiten, darunter auch Jackie Kennedy oder Indira Gandhi, in den Sechzigern und Siebzigern gekommen ist. Ihrem Bildband verleihen aber erst die saloppen Kommentare Charme, die sie unter jedes Foto setzt. Und manche Bilder, auf denen sie sich selbst inszeniert.

Pelé begleitete sie 1976 in die Umkleide der New York Cosmos. Allerdings seien dort sonst immer nackte Männer gewesen, das habe sie sehr erfreut. Auf die musste sie in diesem Fall verzichten.

Auf diesem Bild von 1967 empfängt Robert Kennedy Kinder aus Irland in einem New Yorker Hotel. Oft wirkt es so, als habe Lisl Steiner sich einfach mit dazu gedrängt. Mit der Fotografie versuchte Steiner stets, das Hier und Jetzt festzuhalten, wie sie im Vorwort von "Lisl Baby" erklärt: "Um den entscheidenden Moment einzufangen, darfst du nur der Voyeur sein und du musst dich auf deine Instinkte verlassen: Fotografie als Metapher des Lebens."

Auch die Brüder Castro gehören zu ihren berühmten Motiven. Diese Aufnahme kam durch Zufall zustande: Sie habe die Menge vor Castros Haus 1959 in Buenos Aires fotografiert, schildert Steiner, und wollte Fidel dann noch einmal im Porträt aufnehmen. Allerdings habe sie den falschen Film eingesetzt und über das vorherige Motiv noch einmal drüberfotografiert. Voilà!

Ihre eigene Persönlichkeit kommt in "Lisl Baby" nicht zu kurz. Voller Selbstbildnisse, auch sehr intimer (Steiner hatte Krebs und ließ sich beide Brüste abnehmen, wie ein Foto zeigt), inszeniert sich die inzwischen knapp 90-Jährige als "Sheherazade der Fotografie". Auch mit einem Augenzwinkern, wie Selbstporträts mit Froschmaske oder schrägen Grimassen zeigen.

Anders als ihr persönliches Erscheinungsbild wirken einige Bilder erstaunlich ruhig, wie dieses des Pianisten Friedrich Gulda vor seinem ersten großen Konzert 1949 in der argentinischen Hauptstadt.

Mit "Lisl Baby" präsentiert Steiner eine amüsante, schräge, aber auch beeindruckende Werksammlung, in der sie sich selbst schlussendlich nicht ganz ernst nimmt. Lisl Baby, Lisl Steiner, Edition Lammerhuber, Oktober 2015, 99 Euro

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