Süddeutsche Zeitung

Fliege TV:Auf der Suche nach dem Sinn

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Aus dem Spartenkanal Help TV soll Fliege-Fernsehen werden. Fernsehpfarrer Jürgen Fliege schafft sich damit einen Angelhaken - und die Basis für eine multimediale Verbreitung seiner Verkündigung.

Hans Hoff

Als der digitale Spartenkanal Help TV Anfang November von einem tristen Dortmunder Stadtteil aus auf Sendung ging, mangelte es dem Star des Senders nicht an großen Worten. Nicht länger sei er vom Quotenanbeter Günter Struve abhängig, sagte Jürgen Fliege. Und er dokumentierte die neue Freiheit vom ach so bösen ARD-Programmdirektor, indem er sich als eine Art Bill Gates von Dortmund-Hörde positionierte: Er starte nun in einer Garage neu.

Damals konnte Jürgen Fliege noch nicht ahnen, wie "garagig" es in den Anfangstagen von Help TV werden würde. Das Interesse an dem neuen Spartenkanal, der vorgab, Antworten auf fast alle Fragen zu kennen, und derzeit nur digital über Satellit und Kabel zu empfangen ist, hielt sich nämlich in Grenzen. Nur wenige Menschen waren bereit, 50 Cent auszugeben für die Chance, zum Berater ins Studio durchgestellt zu werden. Dabei schreckte die Menschen nicht so sehr, dass sie 50 Cent berappen müssen, ohne zu wissen, ob sie wirklich Hilfe erhalten. Vielmehr fanden die meisten Help TV im digitalen Kosmos gar nicht erst.

"Wir haben die Verbreitungsproblematik unterschätzt", bilanziert Peter Pohl, Vorstand der Help TV AG, und gibt offen zu: "Der Anfang war hakelig." So hakelig, dass der Sender Anfang April vier seiner sechs täglichen Sendestunden an den Spartenkanal Job TV abtreten musste. Aber auch die Reduzierung brachte wenig. So waren in den vergangenen Tagen immer wieder Experten zu sehen, die im Studio förmlich um Anrufe flehten, diese aber nicht bekamen. Das seien aber sicherlich Ausnahmen gewesen, schwört Pohl. Normalerweise bekomme man schon etliche Anrufe, wenn auch nicht genug.

"Die Fliege-Sendungen sind der Hit"

Heiß läuft die Telefonleitung immer nur am Sonntag, an dem Tag, an dem Jürgen Fliege live im Dortmunder Studio sitzt. "Die Fliege-Sendungen sind der Hit", bilanziert Pohl. Als eine Fliege-Stunde probeweise mal bei einem analog verbreiteten Ballungsraumsender ausgestrahlt wurde, zeigte sich zudem, wo das Potential liegt. "Wir hatten 2200 Anrufe mehr als normal", berichtet Fliege und klingt dabei keineswegs stolz, sondern so, als sei das normal. Auch nach acht Monaten in der Garage leidet der Mann nicht unter zu wenig Selbstbewusstsein.

Daraus werden nun Schlüsse gezogen. "Help TV war für mich eine Übergangsstation", sagt Fliege. Derzeit bemühen sich die beiden um Ausstrahlungstermine bei verschiedenen Ballungsraumsendern. Mit Fliege-Häppchen im analogen Kabelnetz will man die Zuschauer in die digitale Welt locken. "Das sind die Angelhaken", sagt der Namensgeber und sieht, wie kaum anders zu erwarten, einen großen Bedarf an seiner Person: "Die Leute hätten gerne wieder Fliege."

Den bekommen sie auch. Spätestens Anfang 2008 erhält Help TV einen neuen Namen. Ob der Sender dann Fliege, Fliege TV oder Flieges Welt heißen wird, muss sich zeigen. Derzeit laufen bereits Gespräche mit den Machern von Job TV, denen man die Stunde zwischen 16 und 17 Uhr - also die aus der ARD gewohnte, klassische Fliege-Zeit - wieder abhandeln möchte. Eine weitere Ausweitung ist fest eingeplant. Auf drei inhaltlichen Säulen ruht das neue Konzept: Gesundheit, gesellschaftliches Engagement und Lebenssinnsuche. "Lebenssinn und Esoterik boomen ohne Ende", sagt Fliege.

Die reine Finanzierung über Anrufe ist indes kein Zukunftsmodell. Vielmehr streben Pohl und Fliege einen Mix aus klassischen Werbebuchungen und Anruferlösen an. Dass Telefongebühren niemanden abschrecken, der Hilfe sucht, haben Versuche um Weihnachten herum gezeigt, als Help TV mit kostenlosen Anrufen warb: Es gab nicht mehr Resonanz. "Das ist dem Zuschauer scheißegal, ob der Anruf was kostet oder nicht", behauptet Fliege.

Ohnehin wird der Fliege-Sender nur eine Plattform sein, von der aus sich Fliege multimedial verbreiten möchte. "Wir reden mit Print und verschiedenen Hörfunksendern", sagt Pohl. Kolumnen könnte Deutschlands berühmtester Fernsehpfarrer schreiben, Beiträge fürs Radio sprechen und auch sein bestehendes Print-Magazin einbinden. Das schreibt bislang noch rote Zahlen, soll aber im Zuge der Gesamterneuerung saniert werden. Am Ende könnte dann aus dem Garagenmann Fliege so etwas wie der Medientycoon Fliege werden. Mit seinem berühmten viel sagenden Lächeln kommentiert er das und redet prompt von sich in der dritten Person. "Wenn Geld verdient wird, freut Fliege sich."

Keine Frage, dieser Mann hat nicht viele über sich. Nur einen sieht er noch auf Augenhöhe, wohl weil auch dem bislang der wahre Segen verwehrt geblieben ist. "Liebe Kirchen, ihr müsst dem Hape Kerkeling eine Ehrendoktorwürde geben", sagt er und spielt auf dessen Erfolg mit dem Pilgerbuch Ich bin dann mal weg an. "Das ist der größte Volksmissionierer seit Martin Luther", sagt Fliege. Für einen kurzen Moment wirkt er dabei so, als habe er sich selbst vergessen.

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Quelle:
SZ vom 25. Juni 2007
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