Süddeutsche Zeitung

Filme in Deutschland:Veränderte Wahrnehmung

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Der Bund hat im Jahr 2018 mehr Filme von Frauen gefördert.

Von Susan Vahabzadeh

Was Debatten bewirken, kann man selten beweisen. Die Diskussionen darüber, dass der Frauenanteil unter Filmhochschulabsolventen viel höher ist als unter den geförderten Regisseuren, gibt es seit Jahren, im vergangenen Jahr wurden sie heftiger. Und jetzt sieht man den Effekt. Die Auswertung der Vergabe von Geldern durch die Filmförderungsanstalt (FFA) hat ergeben: Es sind von den dafür zuständigen Kommissionen 2018 deutlich mehr Regisseurinnen und Autorinnen bedacht worden als im Vorjahr.

Die FFA erhebt Marktdaten zum deutschen Film, vor allem aber fördert sie Filmproduktionen und Drehbücher. Es gibt in Deutschland nun mal kein Kino ohne Filmförderung, kaum etwas wird hierzulande für die Leinwand gedreht, ohne dass aus den diversen Töpfen der Länder und denen der FFA in Berlin Geld dazugegeben wird, meist als eine Art Darlehen, das zurückgezahlt werden muss, sobald ein Film genug eingespielt hat. Wie auch immer - Frauen bekamen von fast allen deutschen Fördereinrichtungen seltener Geld, und dann meist weniger. Zumindest was die FFA betrifft, war 2018 nun alles anders.

Wie es dazu kam, dass am Ende des Jahres plötzlich ein nie dagewesener Frauenanteil nachweisbar war? "Es hat eine wechselseitige Beeinflussung stattgefunden, eine Sensibilisierung auf allen Ebenen", sagt Christine Berg, die Stellvertreterin von FFA-Vorstand Peter Dinges ist. "Auch in der FFA selbst. Es geht ja nicht nur darum, dass wir mehr bewilligen, sondern auch darum, dass wir mehr Anträge bekommen." Die Antragstellungen von Autorinnen, Produzentinnen, Regisseurinnen sind gestiegen, obwohl die Zahl der Anträge insgesamt etwas gesunken ist. Es sind aber auch mehr der Anträge, die Frauen einreichten, berücksichtig worden. Im Bereich Spielfilmregie beispielsweise bekam die FFA 2017 19 Förderungsanträge von Frauen, 2018 25. Bewilligt wurden 2017 nur 6, 2018 aber 12.

Das macht schon etwas aus. "Es sind keine kleinen Projekte, die wir fördern, im Schnitt haben diese Filme ein Budget von um die fünf Millionen", sagt Christine Berg. "Und wir haben mehrere Projekte, bei denen Frauen sehr hohe Budgets verantworten. Auch das kann man in unserer Studie sehen: Das war vorher selten. Das kommt aber von außen." Die FFA ist ja nicht für die Besetzung von Regisseuren zuständig: "Es ist die Branche selbst, die sich von den Stereotypen löst, dass Frauen sich nur um die kleinen Sachen kümmern und die Männer für die großen zuständig sind."

Und wie muss man sich die Veränderung innerhalb der FFA vorstellen? "Das beginnt damit, dass ProQuote, und dann die ganze Branche begonnen hat, es zu diskutieren", meint Christine Berg. "Staatsministerin Monika Grütters hat im jetzigen Filmförderungsgesetz die Verteilung in den Kommissionen geändert: Wir haben nun eine vorgeschriebene Quote von 50 zu 50. Eine gemischte Kommission hat auch einen anderen Blick. Und wir als FFA haben auch für Sensibilisierung gesorgt. Auch, wenn sich vielleicht herausstellen wird, dass 2018 in dieser Hinsicht ein Spitzenjahr war und das sich so nicht wiederholen könnte - wir haben zu 43 Prozent Regisseurinnen gefördert." Um das in Relation zu setzen: Den FFA-Untersuchungen zufolge sind in Deutschland 40 Prozent aller Filmhochschulabsolventen Frauen.

Es gab auch winzige Veränderungen, denen man zunächst einmal gar keine große Wirkung zutraut. Beispielsweise wird bei der FFA, nach schwedischem Vorbild, seit einer Weile darauf geachtet, dass nicht automatisch Projekte von Männern betont und zuerst genannt werden, sondern auch die von Frauen mal besonders herausgestellt werden. "Und man kann sich gar nicht vorstellen", sagt Christine Berg, "wie viel das an der Wahrnehmung ändert, sogar für einen selbst."

Es geht aber nicht nur ums Betonen und Herausstellen. Nirgendwo wurde im vergangenen Jahr die Rollenverteilung hinter der Kamera heftiger diskutiert als in Hollywood - die Zahlen für 2018 sind auch dort schon veröffentlicht worden, und sie zeigen keinerlei positive Veränderung, nicht seit 2017, nicht einmal seit 1998. Ist es am Ende in einer komplett privaten Filmwirtschaft, auf die die öffentliche Hand keinerlei Zugriff hat, viel schwerer, etwas zu ändern? Das scheint wohl so zu sein. Denn die beiden Länder, die seit Jahren einen hohen Anteil an Filmemacherinnen haben, sind Frankreich und Schweden. Beides Länder, in denen die Filmbranche - anders als im komplett privatwirtschaftlich organisierten amerikanischen Kino - in ein staatliches Fördersystem eingebunden ist.

Was nicht heißt, dass dort der Frauenanteil angeordnet wurde: "Weder Schweden noch Frankreich haben eine Quote eingeführt", so Christine Berg. "In Schweden wurde das, finde ich, sehr charmant gemacht - es wurde unter anderem eine Datenbank angelegt, und dann wurden Produzenten gefragt, ob es keine Regisseurin gab, und wenn sie antworteten, sie hätten keine gefunden, wurden sie gebeten, sich doch noch mal in der Datenbank umzuschauen. Das erhoffe ich mir auch für uns: Dass man es zusammen schafft, die Stereotype aufzubrechen, ohne vorzuschreiben: Du musst das jetzt anders machen, sonst geben wir dir keine Förderung."

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SZ vom 22.01.2019
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