Süddeutsche Zeitung

Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Lesezeit: 3 min

Corinna Harfouch lernt aufräumen, und Tom Cruise macht beim Fliegen (immer noch) keiner was vor. Die Starts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

Auswahl der Filmstarts vom 26. Mai 2022.

Alles in bester Ordnung

Joachim Hentschel: Introvertierter Mann, der nur mit Rollkoffer von Job zu Job reist, trifft auf noch introvertiertere Frau, die in einer Wohnung voller gesammeltem Krimskrams wohnt - und dann passiert's. Was der Start für ein furchtbar formatiertes Standard-Fernsehspiel sein könnte, wird hier glücklicherweise zum relativ vielschichtigen Arthaus-Drama. Die Regisseurin und Autorin Natja Brunckhorst spielte mit 13 die Hauptrolle in "Christiane F.", dies ist 42 Jahre später ihr erster eigener Langfilm. Eine Reflexion über Geist, Material und soziale Mobilität. Ein eher kleiner Film, aber schön genug.

Heikos Welt

Anna Steinbauer: Er ist ein Muttersöhnchen, kennt jede Kaschemme im Kiez und trifft die Dartscheibe am besten, wenn er viel Bier intus hat: Heiko wird von Regisseur Dominik Galizia auf eine tragikomische Heldenreise durch die Berliner Kneipenwelt geschickt, weil er unbedingt Geld für die Augenoperation seiner Mutter auftreiben muss. Sein Plan: das Dart-Turnier im Stammlokal gewinnen, bei dem es als Hauptpreis 5000 Euro gibt. Dieser strange, treuherzige Typ mit der Berliner Schnauze und dem furchtbaren Hemdgeschmack ist mehr als skurril, genauso wie die ganze Story. Aber er wächst einem ans Herz.

Immenhof

Josef Grübl: Der deutsche Pferdefilm folgt seinen eigenen Regeln. Wenn junge Mädchen auf edle Reitpferde treffen, geht es immer um eine besondere Verbindung, um Freiheitswillen, Naturschutz und den Kampf gegen die Ausbeutung von Tieren. So auch in Sharon von Wietersheims zweitem Film aus der rundum erneuerten "Immenhof"-Reihe aus den Fünfzigerjahren: Die Mädchen sind schön, die Pferde auch, die Männer sind böse und die auf Jugendsprache getrimmten Dialoge ein bisschen peinlich. Macht aber nichts, dafür wehen die Mähnen von Mädchen und Pferden einfach viel zu schön im Sonnenuntergang.

Maixabel

Karin Janker: Maixabel Lasa ist eine unwahrscheinliche Frau, eine, die selbst jene Männer nicht hasst, die ihr das Schlimmste im Leben angetan haben: Eta-Terroristen ermordeten ihren Mann, nahmen ihrer Tochter den Vater, zerstörten ihre Familie. Ihre Geschichte, die die spanische Regisseurin Icíar Bollaín im Spielfilm "Maixabel" ohne große Gesten erzählt, handelt von Versöhnung. Denn Maixabel sucht das Gespräch mit den Mördern ihres Mannes. Sie sieht ihnen in die Augen und hält aus, was sie ihr zu sagen haben. "Maixabel" ist spanische Gegenwartsgeschichte, weist aber darüber hinaus: Es ist möglich, mit denen zusammenzuleben, die eigentlich deine Feinde sein müssten.

Das starke Geschlecht

Martina Knoben: Was Männer wirklich über Sex denken - die Doku von Jonas Rothlaender bringt nicht nur erwartbar Toxisches, mehr noch erstaunlich Widersprüchliches zutage. Es ist der richtige Film zum Vatertag, das Ganze erinnert an eine Versuchsanordnung: Der Regisseur setzt seine Probanden vor einen schwarzen Hintergrund und lässt sie Texte anderer Männer zu ihrer Sexualität lesen. Dabei erzählen sie dann auch von sich: von Gewaltfantasien, der Sehnsucht nach Hingabe, von Einsamkeit, Verführung, dem Glück bei und nach dem Akt. Aufregend, wie nahe der Film den Männern kommt. Es lohnt sich, ihnen zuzuhören.

Die Täuschung

Doris Kuhn: Wahre Geschichte über eine britische Geheimdienstoperation im Zweiten Weltkrieg: Damit die Alliierten mit wenig Verlusten in Sizilien einmarschieren können, müssen die Nazis glauben, dass die Invasion in Griechenland stattfindet. Dieses Täuschungsmanöver obliegt zwei Männern, die allergeheimste Fakten erschaffen und sie den Deutschen in die Hände spielen, um deren Truppen ans falsche Ziel zu locken. John Madden jubelt noch eine Liebesgeschichte in den etwas wirren Spionageplot, hält aber die Spannung aufrecht, obwohl jedermann das Ende kennt.

Top Gun: Maverick

Tobias Kniebe: Hemmungslos wilde Flugmanöver in echten Kampfjets, beinharter Militarismus, eingeölte Männerkörper am Strand und Salutieren in blütenweißen Navy-Paradeuniformen. Beim ersten Teil musste man als denkender Mensch noch so tun, als sei das Ganze vor allem eine Orgie im Fremdschämen. Bei der Fortsetzung kaum 36 Jahre später (Regie Joseph Kosinski) aber greift der Nostalgieeffekt: Verdammt, man gönnt sich ja sonst nix mehr. Und wie gänzlich unzerzaust Tom Cruise die Zwischenzeit überstanden hat, das nötigt dann schon Respekt ab.

United States of America

Philipp Stadelmaier: Der legendäre amerikanische Experimentalfilmer James Benning porträtiert die USA als Mosaik, in 52 circa zweiminütigen Einstellungen, die jeweils einem Ort in einem der Staaten zugeordnet werden. In alphabetischer Reihenfolge, von Alabama bis Wyoming. Die meist menschenleeren Landschaften führen zu einer profunden Mediation über Territorium und Identität eines Landes, von dem Benning sich fragt, wie einheitlich (und darstellbar) es tatsächlich ist.

Volksvertreter

Martina Knoben: Über drei Jahre hinweg hat Andreas Wilcke in seiner Doku vier Abgeordnete der AfD begleitet. Sein Film beginnt mit der Wahlparty 2017, als die Partei ihren erstmaligen Einzug in den Bundestag feiert. Wilcke darf zusehen, wie die frischgekürten Abgeordneten Reden verfassen, um die richtigen Worte ringen ("wer die Begriffe prägt, hat die Macht"), wie sie Auftritte proben und Filme für die sozialen Medien drehen. "Politik ist Theater", erklärt einer - Wilcke wirft einen spannenden Blick hinter die Kulissen. Der Regisseur kommentiert das Beobachtete nicht, was heikel ist, weil sein Film die Selbstinszenierung dieser "Volksvertreter" unwidersprochen wiedergibt. Andererseits gibt es genug entlarvende Momente. Man kann diesem Film nur ein aufmerksames Publikum wünschen, das etwa das Grinsen nach einer rassistischen Bemerkung, die Eitelkeit und (versuchten) Manipulationen der Abgeordneten nicht übersieht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5591417
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.