Süddeutsche Zeitung

Eröffnungsfeier der Expo in Mailand:Gassenhauer für die Welt

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Von Laura Weißmüller, Mailand

In der Werbepause hüpfen alle. Die geladenen Gäste, Männer in Moncler-Daunenjacke und dicken Schals, Frauen mit Wespentaille in Pelzen und High Heels; die zwei Moderatoren, er Typ Alleinunterhalter mit einem Hauch Berlusconi, sie 40 Jahre zu alt für den Ex-Premierminister, dafür sehr blond; das Orchester der Scala. Selbst bei der Sängerin Diana Damrau, in grasgrüner Abendrobe und Strassbesetztem Pelz-Cape, meint man am Bühnenrand ein paar zaghafte Bewegungen erkennen zu können. Bewegung ist die einzige Möglichkeit, um sich zu wärmen. Denn es ist kalt auf dem Platz vor dem Mailänder Dom und die Show lang, die Expo feiert sich am Vorabend ihrer Eröffnung selbst.

"Die Welt schaut heute auf uns", sagt der römische Showmaster Paolo Bonolis, der zusammen mit der Fernsehmoderatorin Antonella Clerici durch den Abend führt. Das Programm liest sich wie Klassikradio für Dummies - oder für Angeber. Aus den bekanntesten italienischen Opern, Verdis "La Traviata", Puccinis "Tosca", Donizettis "L'elisir d'amore", hat man ausschließlich die Gassenhauer ausgewählt. Und dazu Sänger und Musiker geordert, die zu diesem weltweit bekannten Star-Niveau passen.

Was sich Lang Lang von der Weltausstellung erwartet? "Gutes Essen"

Die Nachbarin im Pressebereich kann gar nicht so schnell tippen, wie sie die Superlative in die Welt twittern will: beste Sopranistin! (Diana Damrau), größter Pianist der Welt! (Lang Lang) und Andrea Bocelli (Superlativ in Person). Fast alle mussten sich vorher offenbar zum Botschafter der Expo erklären lassen. Was dabei ihre Aufgaben sind? Das weiß weder Bocelli noch Lang Lang. "Was erwarten Sie sich von dieser Weltausstellung, Mr. Lang Lang?" "Gutes Essen", sagt er, im taubenblauen Zweireiher, und jagt dann lieber atemberaubend schnell seine Finger bei Mozarts "Rondò alla turca" über die Tasten seines Flügels. Besser Musik machen als unsinnige Fragen beantworten.

So halten das alle der Stars, wenn sie nach Werbeunterbrechung und quälend unlustigem Moderatoren-Geplänker wieder für ein paar Minuten auf die Bühne vor den Dom müssen. Das Flechtwerk an beiden Seiten, hinter das sie sich in den Pausen flüchten, soll vermutlich an den italienischen Pavillon auf dem Expo-Gelände erinnern. Im Gegensatz zur Bühne wurde der allerdings nicht rechtzeitig zur Eröffnung fertig.

Um was es bei dieser Expo wirklich geht, weiß an diesem Abend offenbar keiner. Und das, obwohl Moderator Bonolis in gepresstem Englisch den Titel "Feeding the Planet. Energy for Life" unzählige Male wiederholt und zahlreiche Expo-Pavillons, die nun nordwestlich von hier ihre Pforten geöffnet haben, in Kurzclips auf den großen Bildschirmen links und rechts der Bühne vorgestellt werden.

Bei Puccini sind dann doch alle ergriffen

Dafür ist am Dom offensichtlich, wer den Ton in dieser Weltausstellung angibt: die Sponsoren und der staatliche Sender Rai Uno. In den Pausen flimmert ein kitschiges Promotion-Video nach dem anderen über die Leinwände. Der Misereor-Clip über den Hunger der Welt wirkt in dieser Hochglanz-Umgebung fast obszön. Als wäre die Augen der schwarzen Kinder nur so groß, damit der Zuschauer lange daran hängen bleibt. Die einzige Sorge des Moderators ist es währenddessen, die Gäste noch vor dem Ende der Werbeunterbrechung wieder auf ihre Plätzen zu bringen. Was zumindest am Anfang der dreistündigen Show gar nicht so einfach ist, denn so gut wie alle veranstalten ausgiebige Selfie-Sessions.

Doch irgendwann wird es auch dafür zu kalt. Die Reihen lichten sich. Schon "Va Pensiero", der Gefangenenchor aus Verdis "Nabucco" hören von den paar Hundert Ehrengästen viele nicht mehr. Als zum Schluss dann alle Stars auf die Bühne kommen und zum Finale Andrea Bocelli "Nessun dorma" aus Puccinis "Turandot" anstimmt - offenbar Standard für Expo-Eröffnungen - sind trotzdem Tausende ergriffen. Um die Absperrgitter haben sich unzählige Mailänder versammelt. Die Kälte hat sie nicht verscheucht. Ihre Stadt wird jetzt für sechs Monate dem Budenzauber der Expo ihre herrschaftliche Kulisse zur Verfügung stellen müssen. Wenigstens heute Abend wollen sie auch selbst etwas davon haben.

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