Süddeutsche Zeitung

"Ein riskanter Plan" im Kino:Auf dem Fenstersims

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Ein Mann will sterben. So mutet zumindest der Anfang des Thrillers "Ein riskanter Plan" an. In Wirklichkeit handelt es sich nur um ein Ablenkungsmanöver - leider auch vom eindrucksvollen Ensemble hinter Hauptdarsteller Sam Worthington.

Anke Sterneborg

Oben im 21. Stockwerk des New Yorker Roosevelt Hotels tritt ein Mann auf den Fenstersims - und unten fragen sich alle, was ihn so weit getrieben hat, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Ist er ein verzweifelter Lebensmüder? Heischt er nach Medienaufmerksamkeit? Oder treiben ihn womöglich ganz andere Motive? Diese Fragen soll auch die junge Polizistin Lydia Mercer (Elizabeth Banks) als Verhandlungsführerin klären.

Um den negotiator, der Selbstmorde verhindern und Geiselsituationen zu einem guten Ende bringen soll, rankt sich ein ganzes Subgenre des amerikanischen Thrillers, das vom Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Ferne, Vertrauen und Misstrauen lebt. Auch Lydia muss sich in kürzester Zeit ein Vertrauensverhältnis zu einem Wildfremden erschleichen, in einem Katz- und Mausspiel, in dem Gegner zu Verbündeten werden. Und der in Ungnade gefallene Ex-Cop Nick Cassidy (der aus "Avatar" bekannte Australier Sam Worthington) macht es ihr nicht leicht, denn bevor er auf den Fenstersims trat, hatte er noch sorgfältig die Fingerabdrücke auf dem Besteck seiner Henkersmahlzeit beseitigt. So viel ist schnell klar: Hier geht es nicht einfach nur um die spontane Kurzschlusshandlung eines Einzelnen, sondern um eine minuziös kalkulierte, konzertierte Aktion. Das insinuiert schon der deutsche Verleihtitel, während im Original ganz lapidar und faktisch von einem Mann auf dem Sims die Rede ist.

Der Autor und Regisseur Asger Leth gehört mit Nicolas Winding Refn ("Drive") und Tomas Alfredson ("Dame König As Spion") zu den Skandinaviern, die derzeit in Hollywood mit aufregenden Genrevariationen auftrumpfen. Nach der 2006 entstandenen Dokumentation "Ghosts of Cité Soleil" über den Milizenterror in Haiti ist "Ein riskanter Plan" sein Spielfilmdebüt. Indem er seine Geschichte im 21. Stock in Gang setzt, steigert er die Fallhöhe und heizt die Neugier an, da geht es dem Zuschauer im Kino nicht anders als den Passanten auf der Straße. In luftiger Höhe beginnt er dann mit verschiedenen Genres zu balancieren, das Drama mutiert da zum Polizeithriller und Caper-Movie, der private Rachefeldzug zum Wirtschaftskrimi. Die Aufmerksamkeit, die ein Mann hoch oben auf einem Fenstersims auf sich zieht, ist da nichts anderes als ein gut getimtes Ablenkungsmanöver. So gesehen lenkt der Star Sam Worthington auch von den diskreteren Leistungen eines eindrucksvollen Ensembles ab. Während er im Licht alle Blicke auf sich zieht, können sie ihre Kräfte im Hintergrund wirken lassen.

MAN ON A LEDGE, USA 2011 - Regie: Asger Leth. Buch: Pablo F. Fenjves. Kamera: Paul Cameron. Mit Sam Worthington, Jamie Bell, Anthony Mackie, Elizabeth Banks . Concorde, 102 Min.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2012
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