Süddeutsche Zeitung

Doku zum Tod Uwe Barschels:Selbstmord ausgeschlossen?

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Krimi ohne Ende: Die ARD rollt das Mysterium um den Tod Uwe Barschels wieder auf. Eins wird klar: Der Fall ist auch ein Justiz-Skandal.

Nicolas Richter

Viele Kriminalfälle beginnen als Rätsel, das Beunruhigende am Fall Uwe Barschel aber ist, dass sich daran auch nach 20 Jahren nichts geändert hat. Am 11. Oktober 1987 wurde der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein tot in der Badewanne seines Genfer Hotelzimmers gefunden. Bis heute streiten Experten über den Grund, und mehrere Wochen vor dem 20. Todestag ist die Debatte über Leben und Sterben Barschels in den deutschen Leitmedien wieder voll entbrannt.

Die ARD zeigt nun einen Dokumentarfilm mit dem passenden Titel "Der Tod des Uwe Barschel - Skandal ohne Ende". Die Essenz lautet: Wichtige Bestandteile der so genannten Barschel-Affäre müssten heute völlig anders bewertet werden als vor zwanzig Jahren.

Um den Tod des Politikers aufzuklären, "muss die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen neu aufnehmen". Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelte lediglich von 1994 bis 1998 wegen Mordverdachts, in den Jahren zuvor hatte die Genfer Polizei viel gepfuscht und sich mit der Selbstmord-These begnügt.

Doch spätestens zum zehnten Todestag erörterten die Medien detailliert drei mögliche Versionen vom Tode Barschels, an denen sich nun auch der Film des Dokumentarfilmers Stephan Lamby orientiert: In Frage kommen Selbstmord, Mord oder Sterbehilfe.

Lamby ("Helmut Kohl. Ein deutscher Kanzler") und seine Co-Autoren Patrik Baab und Andreas Kirsch haben den Film wie einen Krimi inszeniert, einige Szenen wurden mit Schauspielern nachgestellt. Das wäre nicht nötig gewesen, denn viele der Original-Protagonisten haben sich ohnehin bereit erklärt, vor der Kamera zu reden.

Der "Stern"-Reporter Sebastian Knauer etwa, der die Leiche fand und fotografierte. Oder der schleswig-holsteinische Generalstaatsanwalt Erhard Rex, der findet, es sei "eher" Selbstmord gewesen, während der ihm unterstellte Chef der Staatsanwaltschaft Lübeck, Heinrich Wille, entgegnet, Selbstmord sei "nicht mehr vorstellbar".

Auch die Autoren des Films halten die Selbstmord-These für weitgehend widerlegt. Es gab am Tatort zu viele Unstimmigkeiten, die darauf hindeuteten, dass Barschel nicht allein war, als er starb.

Es gab auch Motive, Barschel umzubringen: Die ARD-Filmer vermuten das wichtigste, wie die meisten Experten, in den illegalen Waffengeschäften, in die Barschel verstrickt war. Womöglich sei der CDU-Politiker bereit gewesen, über diese Deals auszupacken.

Es mag sein, dass Barschel das Opfer finsterer Agenten wurde. Wer aber die Täter waren und wer sie beauftragt hat, ist nach wie vor völlig unklar. Übrig bleibt die Theorie von der Sterbehilfe, dazu passen die seltsamen Spuren im Hotelzimmer und auch Barschels verzweifelte Lage. Er galt als Mitwisser schmutziger Tricks gegen seinen politischen Rivalen Björn Engholm und musste zurücktreten, seine Karriere galt als beendet.

Es kann sein, dass dem medikamentensüchtigen Barschel jemand geholfen hat, sein Leben zu beenden. Er starb letztlich an einer Überdosis Tabletten.

Der Film "Skandal ohne Ende" geht allen Spuren gewissenhaft nach, kann den Fall aber auch nicht lösen. Derzeit prüft die Bundesanwaltschaft im Auftrag der Familie Barschels, ob sie die Ermittlungen an sich nimmt und die Akten wieder öffnet.

Der Fall Barschel ist in vielerlei Hinsicht skandalös, nicht zuletzt wegen der Rolle der Medien. In dem Film wird aber deutlich, dass er auch ein Justizskandal ist.

Der Tod des Uwe Barschel - Skandal ohne Ende, ARD, 21 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 17.9.2007
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