Süddeutsche Zeitung

Das neue Museum Moyland:Beuys Schokolade frisch geklebt

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Er war einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, doch das Museum für ihn blieb jahrelang ein provinzielles Sammelsurium. Nun wird Joseph Beuys im idyllischen Schloss Moyland am Niederrhein endlich angemessen gewürdigt.

Tief in der niederrheinischen Provinz hütet das idyllische Schloss Moyland einen weltweit einzigartigen Kunstschatz. Rund 6000 frühe Werke von Joseph Beuys (1921-1986) sowie sein Archiv aus Zehntausenden Dokumenten und Fotos werden dort aufbewahrt. Doch das Werk des großen Nachkriegskünstlers ist seit langem Zankapfel zwischen dem Museum und seinen Erben.

Nun könnte sich die Lage stark verbessern. Nach eineinhalb Jahren Komplettumbau präsentiert sich das Moyland radikal neu und modern. Die Sammlung der Brüder van der Grinten, die bislang den Charakter eines Heimatmuseums hatte, ist zu einem eleganten Kunstmuseum geworden. Vor allem die "Petersburger Hängung" der Bilder in mehreren Reihen übereinander bis unter die Decken hatte Kritiker empört. Die empfindlichen Zeichnungen würden durch zu starkes Licht beschädigt. Nicht einmal die bald 50 Jahre alte Schokolade an Beuys' Bild "Das Schweigen des Marcel Duchamp wird überbewertet" sei erhalten.

Vor Gericht liegen Moyland und die Erben in einem Streit um Urheberrechte für Fotos. Einen schweren Stand hatten die seit 2009 amtierende Museumsdirektorin Bettina Paust und ihre Stellvertreterin Stefanie Heckmann, als sie sich im April 2010 ans Aufräumen machten. Eine Sisyphos-Aufgabe: Sie mussten Ordnung bringen in die Riesensammlung von 120.000 Werken der Brüder van der Grinten. Die langjährigen Beuys-Freunde kauften dessen Werke schon in den fünfziger Jahren, sie erwarben - trotz bescheidener Finanzen - aber auch zigtausende Arbeiten anderer Künstler. Auf große Namen kam es ihnen nicht an.

4000 Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen wurden bisher in allen Winkeln des Schlosses präsentiert. Sie mussten alle zurück ins Depot. Unter dem Motto "Klasse statt Masse" stellten Paust und Heckmann eine kleine Sammlung aus 400 Arbeiten zusammen, die sie großzügig über drei Etagen in den hellgrau gestrichenen Räumen des verwinkelten Schlosses verteilten. Dabei mussten sie berücksichtigen, dass das Beuys-Werk nur einen Bruchteil der Sammlung ausmacht.

Nur die Hauptetage ist allein Beuys gewidmet. Heckmann hat feinste Zeichnungen ausgesucht, oft mit hauchdünnem Strich gezeichnete Bilder, die teilweise noch nie ausgestellt waren. Zweimal im Jahr werden die Papierarbeiten künftig ausgetauscht. So würden sie geschont, andere Schwerpunkte herausgestellt und seit Jahrzehnten nicht gezeigte Arbeiten ans Licht geholt, sagt Heckmann.

Ob zwei Schäfchen in Holz und Bronze, ein Leuchtturm auf einer Schellackplatte oder ein Hasengrab unter Ateliermüll - jedes Werk bekommt viel Raum und kann seine Wirkung entfalten. Briefe aus dem Archiv, Fotos von Beuys-Aktionen und Filme bringen dem Besucher die Person Beuys nahe. Sowohl in der Skulpturen-Ausstellung verschiedener Künstler im Untergeschoss als auch in den Räumen im Erdgeschoss ist Beuys immer Dreh- und Angelpunkt.

Zwei frühe Eichenkreuze von Beuys bilden den Hauptakzent der Skulpturen. Im Erdgeschoss werden Briefe des US-Künstlers James Lee Byars an Beuys und ein Raum mit Werken von Beuys' Ateliergenossen Erwin Heerich präsentiert, aber auch Druckgrafiken der deutschen Expressionisten und Holzschnitte. Die Präsentation spannt einen Bogen von der Verwurzelung Beuys' in seiner Niederrhein-Heimat über sein internationales Beziehungsgeflecht bis hin zu seinem gesellschaftspolitischen Kunstbegriff.

Als "Punktlandung" wurde die Neupräsentation in Fachkreisen bereits bezeichnet. Mit dem Neubeginn Moylands erhofft sich Direktorin Paust endlich Frieden in den Beziehungen zur Witwe Eva Beuys. Im Gegensatz zu früheren Ausstellungen hätten die Erben die Abbildung der Werke im Katalog nun ausnahmslos genehmigt. "Das ist für mich ein deutliches Zeichen der Unterstützung", sagt Paust. Auch das Bild mit der Schokolade hängt wieder: In enger Abstimmung mit Eva Beuys habe ein Restaurator aus Berlin eine neue Schokoladentafel aufgeklebt.

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