Süddeutsche Zeitung

Bühne:Mr. Möchte-Gern-Präsident

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In seinem Anti-Trump-Theaterstück am Broadway sucht der Autor Michael Moore einen Helden - und findet sich selbst.

Von Johanna Bruckner

Der erste Gag im Belasco Theater sitzt. Er kommt vom Band. Eine Männerstimme erzählt von David Belasco, dem Namensgeber des Theaters, der tragischerweise in eben diesem Saal ermordet worden sei - weil er mit Süßigkeitentüten geraschelt habe. Das Publikum johlt, man versteht sich. Die gut 1000 New Yorker, die zur Vorpremiere von "The Terms of My Surrender" gekommen sind, respektieren eine künstlerische Darbietung. Und es gibt eine weitere, lautstark bekundete Übereinkunft: Mindestens so ätzend wie ein Popcorn-Mümmler im Theater ist ein Donald Trump im Weißen Haus.

Die Verachtung für den US-Präsidenten teilen die Zuschauer mit Michael Moore. Der Buchautor und Regisseur des Oscar-prämierten Dokumentarfilms "Bowling for Columbine" ist Autor des Broadway-Stücks dieses Abends. Moore spielt sich selbst, was für eine erste Inszenierung am Broadway riskant wäre, hätte der 63-Jährige das Publikum nicht schon vor der ersten Pointe sicher. "I love you!", brüllt eine Frau, als Moore die Bühne betritt. "Wie konnte dieser Scheiß dann passieren?", ruft Moore zurück. Er gibt sich die Antwort selbst: "Wir müssen uns eingestehen, dass Trump uns erfolgreich überlistet hat." Der bessere Mann habe gewonnen. Im Publikum regt sich Unbehagen, trotz offenkundiger Ironie. Als er den Scherz geübt habe, habe er sich jedes Mal fast übergeben müssen, versichert Moore daraufhin.

"The Terms of My Surrender" ist eine One-Man-Show, eine Mischung aus zweistündigem Late-Night-Show-Eingangsmonolog und Heldenepos. Mit einem Gegenspieler, der zwar nicht mit auf der Bühne steht, aber trotzdem omnipräsent ist. Als Projektion auf dem Bühnenhintergrund und als leere Logenbox mit Konföderationsflagge. Die habe er für die Laufzeit seines Stücks für die Familie Trump reservieren lassen, erzählt Moore. Falls Steve Bannon zufällig in der Stadt sei, könne er jederzeit vorbeikommen. Dann kichert Moore: Ob sich gerade noch jemand vorstelle, wie Bannon das mache, was ihm Trumps neuer Kommunikationschef jüngst unterstellt hatte (nämlich: den eigenen Penis in den Mund nehmen)? Solche Anspielungen sollen Teil jeder Show sein. Für Regisseur Michael Mayer sind diese spontanen Elemente eine Herausforderung - für Moore und sein Publikum eine Möglichkeit gegenseitiger Vergewisserung.

"Entschuldige dich nicht, du bist Amerikaner", rät ein Gast. Der Tipp wäre nicht nötig gewesen

Er wolle die Menschen nicht belehren, hatte er der New York Times gesagt. "Ich gehe nicht jeden Abend auf die Bühne, um eine politische Kundgebung zu veranstalten." Zumindest an diesem Abend muss er das gar nicht. Moore hat die Leute ohnehin auf seiner Seite, die Atmosphäre erinnert an einen Parteitag. Bernie Sanders, Elizabeth Warren, Michael Moore: Das sind die Idole der Tausend im Belasco Theater. Und Moore gibt seinem Publikum, was es sich wünscht: Heldengeschichten. In den meisten spielt er selbst die Hauptrolle.

Mit 16 hält Moore vor dem Elks Club - einer amerikanischen Burschenschaft - eine flammende Rede. Der Club akzeptiert zu diesem Zeitpunkt nur weiße Männer als Mitglieder. In der Folge bringt der Gouverneur von Moores Heimatstaat Michigan ein Gesetz auf den Weg, das Diskriminierung in privaten Clubs verbietet. Und mit Mitte 20 stört Moore gemeinsam mit einem Freund den Deutschlandbesuch des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Als dieser auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg einen Kranz niederlegen will, entrollen Moore und ein Freund ein Protestbanner. In Bitburg liegen auch Mitglieder der Waffen-SS begraben.

Alle diese Erzählungen - deren Korrektheit er mit Fotos belegt - illustrieren Moores Argument, wonach eine Person den Unterschied machen kann. Das Problem ist: Diese Person ist meistens er selbst. Dramaturgisch funktioniert das erstaunlich lange, weil Moore Selbstironie geschickt einzusetzen weiß. Unterhaltsam ist "The Terms of My Surrender" allemal - nicht nur, wenn Moore seine Präsidentschaftskandidatur für 2020 ankündigt und verspricht, dass es mit ihm im Weißen Haus nur noch ein Kabel für alle Smartphones und Tablets geben werde. "Eine Nation, ein Volk, ein Kabel - ich könnte allein damit gewinnen." Doch von einem gewissen Punkt an nimmt die Aneinanderreihung von Anekdoten Forrest-Gumphafte Züge an: Da stolpert ein Mann durch die Geschichte und geht trotz seiner Naivität am Ende immer als moralischer Sieger hervor. An einer Stelle vergleicht sich Moore sogar indirekt mit der schwarzen Bürgerrechtlerin Rosa Parks. "Entschuldige dich nicht, du bist Amerikaner", rät ihm sein erster Gast, Comedian Judah Friedlander. Ironischerweise ist das ein Rat, den weder Moore noch Trump zu brauchen scheinen.

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SZ vom 31.07.2017
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