Süddeutsche Zeitung

Bücher des Monats:Hochenergetisch

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Jens Balzer seziert die Achtzigerjahre, Michael Wolff arbeitet Donald Trumps letzte Tage im Amt, Ralph Bollmann die lange Ära Angela Merkel auf, Fatima Daas erkundet die Identitäten einer polyamourösen Muslimin: die Bücher des Monats.

Von SZ-Autoren

Ralph Bollmann: Die Kanzlerin und ihre Zeit

Bald ist die Ära Merkel zu Ende. 32 Jahre im öffentlichen Leben, 16 Jahre davon als Kanzlerin. Und doch gibt es bisher kaum Biografien. Der Journalist Ralph Bollmann, Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Korrespondent in Berlin, wagt sich als Erster an das Große und Ganze: an eine Gesamtschau des Lebens von Angela Merkel und an die akribische Aufarbeitung der Kanzlerschaft. Und diese Gesamtschau ist außerordentlich gelungen. Weil Bollmann sich an ein fundiertes Nacherzählen gemacht hat und Deutungen anderen überlässt. So entsteht ein bemerkenswertes Bild von einer Frau, die auf den Faktor Stabilität setzt wie kaum jemand sonst.

Lesen Sie hier die ausführliche Rezension von Stefan Kornelius.

Michael Wolff: 77 Tage

Der Publizist Michael Wolff hat mit "Feuer und Zorn" (2018) eines der wichtigsten Bücher über Donald Trumps Wahlerfolg 2016 vorgelegt. Und nun hat er vielleicht auch das wichtigste Buch zu dessen vorläufigem Ende geschrieben. In "77 Tage" beschreibt Wolff packend von der Zeit zwischen Joe Bidens Wahlsieg und dessen Vereidigung. Und vom Sturm aufs Kapitol durch verblendete Anhänger des Verlierers. Obwohl Trump Wolff verabscheut, gewährte er ihm ein Interview in Florida - ein Highlight, weil hier noch deutlicher wird als sonst, welche Luftschlösser sich der Republikaner da erbaut hat. Und Wolff ist sich sicher: Trump tritt 2024 wieder an.

Lesen Sie hier die ausführliche Rezension von Matthias Kolb.

Hans Fallada: Lilly und ihr Sklave

Mit der englischsprachigen Neuübersetzung seines Romans "Jeder stirbt für sich allein" über ein Paar, das im nationalsozialistischen Berlin heimlich Anti-Hitler-Flugblätter verteilt, landete Hans Fallada mehr als sechs Jahrzehnte nach seinem Tod noch einmal einen Weltbestseller. Jetzt sind in Gerichtsakten unveröffentlichte Erzählungen von ihm aufgetaucht. Sie zeigen den Autor in Höchstform: Die Gesellschaft wird als Zwang erzählt, Zivilisation als Unterwerfung. Diese Unterwerfung aber kann durchaus auch heilsam sein, den Menschen vor sich selbst beschützen. Fallada selbst behauptete einmal, Tausende Mark unterschlagen zu haben, um im Gefängnis endlich in Ruhe schreiben zu können.

Lesen Sie hier die ausführliche Rezension von Thomas Steinfeld.

Fatima Daas: Die jüngste Tochter

Die 1995 bei Paris geborene Autorin Fatima Daas erkundet in ihrem Debütroman der Reihe nach alle Identitäten, die ihre Erzählerin in ihrer Person vereint: Sie ist Französin algerischer Herkunft, homosexuell, polyamourös, gläubige Muslimin. Und sie ist außerdem: Asthmatikerin, Allergikerin, Vorstädterin, die drei Stunden pro Tag im öffentlichen Nahverkehr verbringt, Lügnerin und Sünderin. Trotzdem ist das Buch kein Bekenntnisbuch, sondern ein großer Roman über die Suche nach echter Liebe. Das Gegenüber der regelmäßigen Treffen ist die viel ältere, angeschwärmte Nina. Zusammen mit der Übersetzerin Sina de Malafosse wurde Daas für ihr Debüt mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet.

Lesen Sie hier die ausführliche Rezension von Alex Rühle.

Franziska Meier: Besuch in der Hölle

Wir nähern uns dem Höhepunkt des Dante-Jahrs: dem 700. Todestag des Dichters am 14. September. Seine "Göttliche Komödie" erdreistete sich zu seiner Zeit maximaler Kühnheit: eine Reise in die Unterwelt - mit Rückkehr. Und das auf Italienisch, das als Dichtungssprache noch jung war. Seitdem haben ihn viele, vor allem die Dichterkollegen, gelesen, sich überwältigen und beeinflussen lassen. Die Literaturwissenschaftlerin Franziska Meier erzählt die Rezeptionsgeschichte bis ins 20. Jahrhundert, in dem Dante zum Stichwortgeber für ein Zeitalter der Angst wurde.

Lesen Sie hier die ausführliche Rezension von Gustav Seibt.

Jens Balzer: High Energy

Viele Veränderungen und Debatten, die heute erst ihre ganze Macht entfalten, haben in den Achtzigerjahren angefangen. Davon erzählt Jens Balzer in "High Energy", seiner Geschichte der Dekade, die von der Populärkultur ausgeht, sich aber glücklicherweise nicht mit der Aufzählung von Modern-Talking-Hits aufhält. Stattdessen geht es um die Haare der Ökos, die Geburt der Gendertheorie und der Tribalisierung, der dauernden Abgrenzung in der Gesellschaft. Und dann enden die Achtziger "als ein Jahrzehnt, in dem vieles, was selbstverständlich erscheint, plötzlich hinweggefegt wird von einem Ereignis, das alle Vorstellungen und Vorahnungen übersteigt". Es ist 1989, der Eiserne Vorhang fällt.

Lesen Sie hier die ausführliche Rezension von Juliane Liebert.

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