Süddeutsche Zeitung

Buch: "No Smoking" von Luc Sante:Und die Liebe hat den Rauch zum Schleier

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Ein letztes Hoch auf den Nikotin-Genuss: Ein Bildband schwelgt in Erinnerungen an jene Schönheit jenes Rauches, von dem man lange hoffte, ihn ohne Feuer bekommen zu können.

Gerhard Matzig

Das Verbot der Tabakwerbung kommt. Raucher werden aus Restaurants und Bars verbannt. Im öffentlichen Raum wird der Griff zur Zigarette umcodiert. Was gestern eine Chiffre des Glamours war, ist schon längst ein Zeichen des Banalen. Morgen aber könnte es zum Symbol des Vulgären reduziert sein. Und das ist dann womöglich der Punkt, an dem es vielleicht doch noch einmal interessant wird. Wobei natürlich sehr nachvollziehbar ist, was die Drogenbeauftragte der Bundesregierung im Zuge der aktuellen Anti-Tabak-Diskussionen vor einigen Tagen gesagt hat: ¸¸Ich wünsche mir, dass Nichtrauchen der Normalfall wird." - Aber beschwört sie damit nicht auch den Reiz des Gegenteils: des Extremfalls?

Der Normalfall ist keine Utopie. Und sobald wir wieder alle darin leben, im Reich des Alltäglichen, könnte der Wunsch nach dem abseitigen, verbotenen und geächteten Leben durchaus wieder virulent werden. Die Frage ist nur, ob diese Sehnsucht dann noch einmal die Kraft hat, eine Ästhetik hervorzubringen wie im 20. Jahrhundert. Wohl kaum. 140 000 Menschen sterben - allein in Deutschland - an den Folgen des Rauchens. Jahr für Jahr. Sie sind keine Botschafter der Verheißung. Der nikotinlose Alltag der Öffentlichkeit wird also für alle Zeit die Marlboro-Männer ausschließen und verstoßen. Was bleibt: Erinnerungen an die Schönheit jenes Rauches, von dem man lange hoffte, ihn ohne Feuer bekommen zu können. Ohne Krankheit und ohne Totenköpfe auf den Zigarettenpackungen. Erinnerungen wie die an Theãphile Gautier: ¸¸ . . . Und die Liebe hat den Rauch zum Schleier".

Die schönsten Bilderinnerungen und Zitate aus dem Jahrhundert des Tabaks sind in dem Buch ¸¸No Smoking" von Luc Sante versammelt (Heyne Collection, 391 Seiten, 49,90 Euro). Darin begegnet man auch Jean Seberg, die den Rauch ihrer Zigarette wie einen Schleier trägt, um dahinter bloß nicht geliebt zu werden. Viel später, 1979, starb sie - gescheitert auch an Drogen und liebloser Einsamkeit. Das Bild stammt aus dem Jahr 1959. Sie drehte damals einen Film, der in Deutschland unter diesem Titel berühmt wurde: Außer Atem.

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Quelle:
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.146, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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