Süddeutsche Zeitung

Bilderbuch:Was der kleine Frosch von seinem großen Bruder lernt

Lesezeit: 2 min

Zwei Frösche auf dem Weg in die bunte Regenwaldwelt.

Von Kathleen Hildebrand

Philautus nepenthophilus ist eine kleine Froschart, die im Regenwald von Borneo beheimatet ist. Sie lebt gefährlich, könnte man meinen: nämlich mitten in einer fleischfressenden Pflanze. Wie Kannen hängen deren Fangkelche von den Bäumen, im Inneren gärt eine Flüssigkeit, die all jene Insekten und kleinen Tiere zersetzt, die hineinfallen. Nur diesen Frosch, den zersetzt sie nicht. Seine Kaulquappen wachsen geschützt in den Kelchen heran, sie leben mit der Kannenpflanze in einer erstaunlichen Symbiose. Zwei junge Vertreter von Philautus nepenthophilus nun sind die Helden dieses wunderschönen, großformatigen Bilderbuches, das die niederländische Autorin und Illustratorin Linde Faas geschrieben und gemalt hat.

Auf jeder Seite muss man die Protagonisten, den großen und den kleinen Froschbruder im Gewimmel erst einmal kurz suchen.

Auf jeder Seite erscheint die dunstige Aquarell-Fülle des Regenwalds mit ihren Blumen, Flechten, Baumstämmen, Lianen, Insekten und Vögeln in anderen Farben, und auf jeder Seite muss man die Protagonisten, den großen und den kleinen Froschbruder im Gewimmel erst einmal kurz suchen. Am Anfang guckt der kleine Bruder noch ängstlich aus seinem Kelch, der große ist schon draußen. Er will ihn locken - hinaus in die schöne, weite Welt. Aber der Kleine will nicht, also macht der Große sich allein davon. "Nur ganz kurz, ich bin gleich zurück", sagt er. Doch der große Bruder bleibt weg. Und weil er das noch weniger aushält als seine Blume zu verlassen, krabbelt und hüpft der Kleine immer weiter nach oben, denn irgendwo dort wird der Große ja wohl sein. Die Ebenen des Regenwalds malt Linde Faas mit einer hellen Leichtigkeit, die der einsamen Suche des Kleinen ihren Schrecken nimmt. Schmetterlinge fliegen wie hingetupft vorbei an gelben Korbblütlern, bunte Vögel und sogar ein großer, dunkler, wolliger Bär sprechen dem Frosch Mut zu, bis er es ganz nach oben geschafft hat und endlich frei ist, ohne Angst. Der Verlag empfiehlt das Buch für Kinder ab vier Jahren, aber wem das Alleingelassenwerden da noch zu viel Angst macht, dem hilft das Suchspiel, das mit ihm möglich ist: Der große Bruder ist nämlich auf jeder Seite versteckt, er begleitet den Kleinen auf seinem Weg aus der Kannenkomfortzone hin zum Staunen, zur Freude an der bunten Regenwaldwelt.

Linde Faas: Wo bist du, großer Bruder? Aus dem Niederländischen von Kristina Kreuzer. Von Hacht 2022. 32 Seiten, 14 Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5620313
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.