Süddeutsche Zeitung

Bildband von Walter Schels:Hände hoch!

Nur die Porträts prominenter Persönlichkeiten zu zeigen, war dem Fotografen Walter Schels zu wenig.

Von Carolin Gasteiger

"Muss ich irgendetwas tun?", fragte Angela Merkel, als Walter Schels sie während des Bundestagswahlkampfs 2005 porträtierte. Einfach nur die Hände heben. Denn die findet der Fotograf mindestens so aussagekräftig wie die Mimik der Bundeskanzlerin. Aber wie oft schon achtet man darauf?

In einem Bildband, den Schels mit seiner Frau Beate Lakotta herausgebracht hat, rückt er Menschen und ihre Hände in den Fokus. Berühmte Persönlichkeiten wie Altkanzler Helmut Schmidt, Dirigent Yehudi Menuhin oder Unternehmerin Beate Uhse sind zu sehen, aber auch Blinde, Neugeborene oder Hospizpatienten wenige Wochen vor ihrem Tod. Alle in derselben Pose: Hände hoch! Im Bild: Pianist Alfred Brendel

Die Aufnahmen zeigen, wie individuell Hände aussehen. Mal zieren sie feingliedrige Linien, mal haben sich tiefe Furchen eingegraben. Die verschrumpelten Händchen der Babys erinnern überraschenderweise an die von Greisen, manchmal stehen die Daumen merkwürdig weit ab. Im Bild: Beate Uhse

Mit ihrer Haltung offenbaren die Porträtierten dem Betrachter ihre persönlichsten Merkmale: Gesicht und Hände. Als hätten sie nichts zu verbergen. Im hinteren Teil des Bandes erzählen kurze Anekdoten, wie es zu den Aufnahmen kam. Etwa, dass sich Berglegende Luis Trenker mit 96 Jahren neugierig erkundigte, ob er hundert Jahre alt werden würde (stattdessen starb er mit 97).

Zufällig traf Schels auf die Soulsängerin Eileen Hamlet und ihre Schwester, als ihm auffiel, wie ähnlich deren Hände aussehen.

Wann zeigt der Dalai Lama schon so bereitwillig seine Hände? Die seien noch nie fotografiert worden, wie das Oberhaupt der Tibeter dem Fotografen Schels erzählte. Angesichts von Schels Aufnahmen fragt man sich zu Recht, warum eigentlich.

Wie intensiv sich das Künstlerpaar mit dem Thema Hände beschäftigt, zeigen sowohl Vorwort als auch Begleit-Essay, in dem Publizistin Lakotta auf kunsthistorische ebenso wie auf evolutionstheoretische und wissenschaftliche Aspekte eingeht. Da macht es durchaus Sinn, dass Schels unter die Prominenten auch den Schimpansen Charly mischt. Von ihm blieb dem Fotografen der feste Händedruck im Gedächtnis.

Schels, der sich intensiv mit der Physiognomie des Menschen und auch mit Handlesen beschäftigt, ist trotz aller Faszination der Meinung, dass Hände nichts über einen Menschen verraten (im Bild: Publizist Henri Nannen). Und doch machten sie etwas sichtbar, "genau so wie Gesicht oder Ohren oder die Iris eines Menschen oder ein Bluttest oder eine Genanalyse". Walter Schels + Beate Lakotta: "Hände", S. Fischer Verlag, 191 Seiten, 40 Euro

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