Süddeutsche Zeitung

Bildband über Nordkorea:Von Monumenten erschlagen und erdrückt

In der menschenverachtenden Diktatur Nordkorea ist ein kulturelles Mikroklima entstanden, das für Außenstehende kaum verständlich ist. Die Fotografin Julia Leeb hat es - oft heimlich - in Bildern eingefangen. Die sind jetzt in einem prachtvollen Band veröffentlicht.

Von Bernd Graff

Nordkorea macht frösteln. Einerseits herrscht dort seit mehr als 60 Jahren eine menschenverachtende Diktatur, für die das Individuum nur zählt als Pixel in einem ideologischen Bild, als Auffüllmasse für die Chiffre vom roten Stern.

Andererseits hat das dynastische Diktatoren-Regime die 24 Millionen Einwohner des Landes so von der Welt abgeschottet, dass dort ein anaerobes kulturelles Mikroklima entstanden ist, das nur von der eigenen Phantasie befruchtet wird: mit bizarren Symbolen und Fetischen, unterfüttert von skurrilen Werten und Bedeutungen.

Man versteht dieses anachronistische System als Außenstehender nicht, und Außenstehender ist fast jeder Mensch auf diesem Planeten. Nordkorea wurde so zur größten "Gated Community" der Erde, aber einer gründlich verkehrten: So gut wie niemand will hinein und so gut wie keiner kommt je heraus.

So erscheint das Land wie eine bröckelnde Disney-World des Kommunismus mit der Hauptstadt Pjöngjang als ihrem Entenhausen: Hier erschlagen golden lächelnde Diktatoren-Monumente die werktätigen Massen, erdrückt das Heroen-Pathos der Arbeiter-, Bauern- und Soldaten-Bildnisse ganze Häuserfassaden, weisen gigantistische Fackelsäulen den gelobten Pfad. Und die U-Bahn-Stationen hier heißen: "Goldenes Feld", "Triumphale Wiederkehr", "Paradies".

Die Fotografin Julia Leeb hat das Land besucht und ihre - oft heimlich - geschossenen Bilder in einem prachtvollen Band herausgebracht. Eines zeigt ein Paar Gummistiefel, das in einem reich verzierten Glasschrein ausgestellt ist: Es ist jenes Paar, auf dem der Blick des "Geliebten Führers" einen Moment lang ruhte, als er die Gummistiefel-Fabrik besuchte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2079026
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.08.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.