Süddeutsche Zeitung

BGH: "Bild" gegen "taz":Wie dumm darf ein "Bild"-Leser sein?

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Im satirischen Kleinkrieg zwischen dem großen Boulevardblatt Bild und der kleinen taz redet der Bundesgerichtshof mit. Es geht um einen Werbespot am Kiosk.

Franz Baden

Er war da, mit Jeans und rotem Kapuzenpulli. Auf der Oberbekleidung stand im Che-Guevara-Design groß "KAI". So sah kürzlich die Premiere des Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann in einem ihm unvertrauten Milieu aus. Der Mann vom Springer-Boulevardblatt, der im feineren Potsdam wohnt, trat erstmals als eines von 8826 Mitgliedern der taz-Genossenschaft auf.

Als bekennender Konservativer und Helmut-Kohl-Freund im Kreis der Grünen und Linken der Berliner tageszeitung, das ist für Diekmann eine Art privates Polit-Happening. Er empfahl, Geld für den Online-Auftritt der taz zu nehmen - und wies im Übrigen die Analyse des taz-Geschäftsführers Karl-Heinz ("Kalle") Ruch zurück, die negative Auflagenentwicklung von Bild bedeute die "Enteignung des Springer-Verlages durchs Abspenstigmachen der Leser". Vereinzelt riefen taz-Genossen bei Diekmanns Auftritt "Aufhören".

Aufhören? Hier hört gar nichts auf.

Das spezielle Verhältnis zwischen Bild und taz erweitert sich vielmehr quasi wie von selbst durch immer neue Episoden. Das jüngste Geschehnis: ein Prozess vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dort geht es um eine Wettbewerbsklage der Bild-Zeitung gegen einen Werbespot der taz. Die schlimme Sache: Bild sieht ihre Leser abqualifiziert. Die Werbung zeichne ein vernichtendes Bild mangelnder intellektueller Fähigkeiten sowie trostloser Sozialstrukturen der Bild-Leser, kritisiert das Blatt. Die Forderung: Unterlassung und Schadenersatz.

In den Spots aus dem Jahr 2005 schlappt ein mittelalter Mann mit Unterhemd, Jogginghose und Bauchansatz an einen Kiosk, um eine Zeitung zu kaufen: "Kalle, gib mal Zeitung." Was er bekommt, ist nicht das offenbar Gewohnte. Sondern der auf Späße versonnene Kioskverkäufer reicht ihm die taz. "Watt is das denn? Mach mich nicht fertig!" erwidert der Prolo - und erhält dann doch Bild. Alle lachen. Im Schlussgag des Werbefilms hat der Jogginghosen-Mann dann beim nächsten Kiosk-Gang selbst einen witzigen Einfall: "Du Kalle, gib mal taz!" Wieder lachen alle.

Der Spot endet mit dem Abspann: " taz ist nicht für jeden. Das ist OK so." Schon lustig, dass der Kioskverkäufer wie der taz-Kaufmann "Kalle" heißt.

Klar, dass diese Art selbstreferentieller Satire nicht zum Anspruch von Bild passt, an Relevanz zu gewinnen und sich den führenden Politikern als Plattform für Botschaften aller Art zu präsentieren. Den idealen Bild-Käufer stellen sich einige im Berliner Springer-Hochhaus garantiert lieber als Anzugträger vor.

Vor einigen Jahren schon war Diekmann in einer Privatklage vergeblich gegen die taz zu Felde gezogen - nachdem das alternative Blatt eine wenig schmeichelhafte Satire über ihn gedruckt hatte. Das Machwerk hatte mit Geschlechtsorganen zu tun.

Seitdem ziehen sich die mehr oder weniger komischen Streitereien zwischen den Machern von Bild und taz hin. Der satirische Kleinkrieg sichert Aufmerksamkeit.

Die unentwegten Satiriker beider Seiten, die Aktionskünstler von Bild und taz, können sich bei ihrer Arbeit mit Erkenntnissen von Kurt Tucholsky ("Was darf die Satire?") trösten: "Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: Er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an."

Dafür zieht man schon einmal einen Kapuzenpulli an.

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